OWiG § 30 Abs. 1
In einem verbundenen Verfahren gegen die betroffene juristische Person und deren Geschäftsführer kann die Geldbuße nur gegen den Geschäftsführer der Betroffenen als vertretungsberechtigtes Organ gem. § 30 Abs. 1 OWiG verhängt werden. Mit der Verbindung der Verfahren bricht das Verfahren gegen die juristische Person oder die Personenvereinigung in sich zusammen und ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Koblenz, Beschl. v. 25.6.2009 – 1 SsBs 31/09
Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz erließ am 31.1.2007 gegen die Betroffene wegen 70 Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz (Tageslenkzeitüberschreitung, Tagesruhezeitüberschreitung, Lenkzeitüberschreitung, Lenkzeitunterbrechung, Doppelwochenlenkzeitüberschreitung, Nichtaufbewahren von Unterlagen) in der Zeit ab dem 29.3.2006 einen Bußgeldbescheid über insgesamt 35.856 EUR. Wegen der gleichen Verstöße erließ die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz am 31.1.2007 einen weiteren Bußgeldbescheid gegen den Geschäftsführer der Betroffenen über insgesamt 3.984 EUR. Gegen beide Bußgeldbescheide wurde wirksam Einspruch eingelegt.
Mit Beschl. v. 23.4.2008 hat das AG beide Verfahren zum Zwecke der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Geschäftsführer der Betroffenen hat seinen Einspruch gegen den gegen ihn gerichteten Bußgeldbescheid am 12.9.2008 zurückgenommen. Das AG hat die Betroffene am 30.1.2001 wegen 49 Verstößen gegen das Fahrpersonalgesetz verurteilt und Einzelgeldbußen in Höhe von insgesamt 31.465 EUR festgesetzt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, die sie innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist wirksam auf die Verurteilung durch das AG in den Ziffern 2. sowie 5. bis 49. beschränkt hat. Sie wendet in erster Linie ein, dass das Verfahren insoweit wegen des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden müsse. Im Übrigen erhebt sie die Sachrüge.
Das OLG hebt das Urteil des AG bezüglich Ziffern 2. sowie 5. bis 49. auf und stellt das Verfahren insoweit ein.
Aus den Gründen:
“II. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG zulässig und führt zur Einstellung des Verfahrens gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a Abs. 1 StPO. Es fehlt bezüglich des angefochtenen Teils des Urteils des AG an einer Verfahrensvoraussetzung, die auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz noch erfüllt sein muss (vgl. hierzu BGHSt 21, 55).
Im vorliegenden Verfahren hätte gegen die Betroffene wegen der gleichen Taten, die ihrem Geschäftsführer vorgeworfen wurden, kein selbständiges Verfahren eingeleitet werden dürfen. Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Satz 1 OWiG lagen nicht vor (Göhler, OWiG, 15. Aufl. zu § 30 Rn 28, 31).
Der Mangel des unzulässigen selbständigen Bußgeldbescheides gegen die Betroffene ist hier nachträglich durch das AG behoben worden, weil es das Verfahren gegen die Betroffene und deren Geschäftsführer durch Beschl. v. 23.4.2008 verbunden hat (OLG Jena, Beschl. v. 1.12.2006, 1 Ss 199/06, zitiert nach juris).
In dem verbundenen Verfahren hätte die Geldbuße nur gegen den Geschäftsführer der Betroffenen als vertretungsberechtigtes Organ gem. § 30 Abs. 1 OWiG verhängt werden können. Mit der Verbindung der Verfahren bricht das Verfahren gegen die juristische Person oder die Personenvereinigung in sich zusammen und ist wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (Göhler, a.a.0., Rn 32, 33 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; KK-Rogall, 3. Aufl. 2006, § 30 OWiG Rn 160 und 161 m. w. Hinweisen auf Rspr. und Literatur).
Soweit das AG sich in seiner Entscheidung auf den Beschluss des BGH vom 8.5.1990 (KRB 2/90, zitiert nach juris) beruft, ist anzuführen, dass diese Entscheidung zu einer anderen Rechtslage ergangen ist. Die Verbandsgeldbuße ist nach Änderung des § 30 OWiG durch das 2. Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.5.1986 (BGBl l 721) als selbständige Sanktion anzusehen. Deren frühere materielle Einstufung ‘als Nebenfolge’ der Handlung eines Organs ist durch den Gesetzgeber aufgegeben worden (Göhler, a.a.0. vor § 29a Rn 14 m. w. Hinweisen).
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass nach Durchführung eines Verfahrens gegen die juristische Person oder eine Personenvereinigung noch ein Straf- oder Bußgeldverfahren gegen das Organ stattfindet (Göhler, a.a.O. zu § 30 Rn 29). Dies gilt jedoch nicht für den umgekehrten Fall.
Da vorliegend der Bußgeldbescheid vom 31.1.2007 gegen den Geschäftsführer der Betroffenen als Leitungsperson der juristischen Person durch Einspruchsrücknahme vom 12.9.2008 rechtskräftig geworden ist, war das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen. … .”
Mitgeteilt von RA Hans-Hermann Fuhrmann, Koblenz