Der Ausschluss der Gefährdungshaftung gegenüber bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätigen Personen (§ 8 Nr. 2 StVG n.F.) war Gegenstand jüngerer und jüngster Entscheidungen des Senats:
aa) Senatsbeschluss vom 12.1.2010
Der Kl. fuhr mit dem Pkw seiner Mutter zu einem Freund. Nach reichlichem Genuss von Alkohol fuhren sie mit diesem Wagen gemeinsam in Richtung einer anderen Ortschaft. Unterwegs geriet das Fahrzeug von der Fahrbahn, fuhr in den Straßengraben und kam schließlich auf der Böschung zum Stehen. Der Freund wurde aus dem Fahrzeug geschleudert. Der Kl. wurde mit einer Querschnittslähmung im Fond des Fahrzeugs gefunden.
Der Kl. nahm den Freund sowie den Haftpflichtversicherer – nicht hingegen die Halterin, seine Mutter – auf Schadensersatz in Anspruch. Er behauptete, der Freund habe das Fahrzeug gesteuert. Die Bekl. verwiesen ihrerseits auf den Kl., dieser sei selbst gefahren.
Eine deliktische Haftung des Freundes nach § 823 BGB schied aus. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war letztlich nicht bewiesen, dass der Freund den Pkw gesteuert und den Unfall mit den schwerwiegenden Folgen für den Kl. verursacht hatte.
Das Berufungsgericht versagte dem Kl. auch den Anspruch aus Gefährdungshaftung nach § 7 StVG. Ein solcher Anspruch sei unabhängig davon, wer gefahren sei, nach § 8 Nr. 2 StVG (n.F.) ausgeschlossen.
Nach § 8 Nr. 2 StVG gelten die Vorschriften des § 7 StVG nicht, wenn der Verletzte "bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs … tätig war." Zu diesem Personenkreis gehört – das ist wohl allgemeine Auffassung – der Fahrer. Wäre der Kl. also selbst gefahren, stünden ihm gem. § 8 Nr. 2 StVG Ansprüche aus Gefährdungshaftung nicht zu.
Das Berufungsgericht hat gemeint, der Haftungsausschluss gelte ebenso, wenn der Freund gefahren sei. Der Kl. sei in diesem Fall als Beifahrer "bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs … tätig" gewesen, weil er dem Freund das Fahrzeug zur Verfügung gestellt und die Fahrstrecke mitbestimmt habe.
Ob diese Umstände genügten, um den Kl. aus dem Kreis der Insassen herauszuheben, die nach der Neufassung des § 8a StVG allgemein den Schutz der Gefährdungshaftung genießen, ist vielleicht nicht zweifelsfrei. Der Senat hat soweit ersichtlich einen vergleichbaren Fall (zu § 8 Fall 2 StVG a.F.) nicht entschieden. Im Streitfall konnte die Anwendung des § 8 Nr. 2 StVG n.F. offen bleiben, weil die Abweisung der Klage gegen den Freund, den mitversicherten (angeblichen) Fahrer, inzwischen rechtskräftig geworden war. Diese Klageabweisung hatte Bindungswirkung auch im Prozess des Geschädigten gegen den Versicherer (analog § 3 Nr. 8 PflVG a.F., jetzt: § 124 Abs. 1 VVG n.F. ).
bb) Senatsurteil v. 5.10.2010 – "Unfallhelfer"
"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut". Diesen – vielfach belächelten – hohen Anspruch von Goethe angemessen in die kleine Münze des juristischen Alltags zu übertragen, ist nicht immer einfach. Das zeigt der folgende, nun dem Grunde nach rechtskräftig entschiedene Fall.
Der Kl. fährt auf der Autobahn, vor ihm der Bekl. zu 3 mit einem Mercedes. Schneefall setzt ein. Der Bekl. zu 3 kommt mit dem Mercedes ins Schleudern, schlägt gegen die Leitplanke und kommt schließlich auf dem Seitenstreifen zum Stillstand. Der Bekl. zu 3 schaltet den Warnblinker ein. Der Kl. – soeben examinierter Arzt – steuert sein Fahrzeug auf den Seitenstreifen, eilt zu dem Unfallwagen und fragt nach dem Befinden des Bekl. zu 3. Dann will er zur Absicherung der Unfallstelle das Warndreieck aus dem Kofferraum des Mercedes nehmen. In diesem Augenblick nähert sich der Bekl. zu 1 mit dem BMW, gerät ebenfalls ins Schleudern und erfasst den Kl., der schwer verletzt wird. Der Kl. nimmt die bekl. Fahrer (sowie Halter und Haftpflichtversicherer) des Mercedes und des BMW auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Senat hatte u.a. zu beurteilen, ob der durch den Unfall verletzte Kl. "bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war" (§ 8 Nr. 2 StVG), als er das Warndreieck aus dem Kofferraum des Mercedes holen wollte. Dazu hat der Senat erwogen:
Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteil werden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt. Als Ausnahmevorschrift ist § 8 Nr. 2 StVG eng auszulegen. Für seine Anwendung kommt es nicht auf die Art der Tätigkeit zur Zeit des Schadensfalles an, sofern sie nur der Förderung des Betriebes des Kraftfahrzeuges dient. Doch setzt die Tätigkeit bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Allgemeinen eine gewisse Dauer voraus, wie sie beispielsweise der Fahrer im Verkehr ausübt. Fehlt es – wie im Fall einer gelegentlichen Hilfeleistung – an einer solchen Dauerbeziehung, kann eine zum Haftungsausschluss nach § 8 Nr. 2 StVG führende Tätigkeit in der Regel nicht angenommen werden. Die Bekl. konnten sich gegenüber dem Kl. mithin nicht auf diese Vorschrift berufen.