Mit Spannung erwartet wurde die Entscheidung des EuGH zu dem im Herbst 2016 veranstalteten "wilden Streik" des Flugpersonals der TUIfly. Nach Ankündigung von Umstrukturierungsplänen des Unternehmens meldeten sich damals plötzlich bis zu 89 % der Piloten und bis zu 62 % des Kabinenpersonals "krank". Wegen dieses "wilden Streiks" wurden zahlreiche Flüge annulliert oder hatten eine Ankunftsverspätung von mehr als drei Stunden. Viele betroffene Fluggäste machten daraufhin Ausgleichsansprüche geltend. Das Luftfahrtunternehmen wies die Ansprüche zurück und versuchte, sich mit dem angeblichen Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu entlasten. Evgeni Tanchev, Generalanwalt beim EuGH, schlug dem EuGH im Ergebnis seiner Schlussanträge vom 12.4.2018 noch vor, bei echter krankheitsbedingter Abwesenheit, die auf eine Pandemie oder einen anderen öffentlichen Gesundheitsnotstand zurückzuführen ist, nur dann einen außergewöhnlichen Umstand anzunehmen, wenn ein erheblicher Teil des Personals fehlt (wobei die genaue Abwesenheitsquote vom vorlegenden Gericht unter angemessener Berücksichtigung sämtlicher relevanter Tatsachen festzulegen sein soll). Der "wilde Streik" eines erheblichen Teils des Personals sollte jedoch nach der Ansicht des Generalanwalts grds. einen zur Entlastung führenden außergewöhnlichen Umstand darstellen. Anders als sonst üblich – und für einige Beobachter überraschend – folgte der EuGH dann jedoch nicht den Schlussanträgen des Generalanwalts. Der EuGH entschied mit Urteil vom 17.4.2018, dass die spontane Abwesenheit eines erheblichen Teils des Flugpersonals ("wilder Streik"), wie sie in den Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht unter den Begriff "außergewöhnliche Umstände" i.S.d. Fluggastrechteverordnung fällt, wenn sie auf die überraschende Ankündigung von Umstrukturierungsplänen durch ein ausführendes Luftfahrtunternehmen zurückgeht und einem Aufruf folgt, der nicht von den Arbeitnehmervertretern des Unternehmens verbreitet wird, sondern spontan von den Arbeitnehmern selbst, die sich krank meldeten. Die Kammer stellt erneut klar, dass die im 14. Erwägungsgrund der Verordnung genannten Ereignisse (z.B. Streiks) nicht in jedem Fall einen außergewöhnlichen Umstand darstellen müssen. In den Entscheidungsgründen will die Kammer ausdrücklich keine Differenzierung danach vornehmen, ob es sich um einen "wilden" oder offiziell von einer Gewerkschaft initiierten Streik handelt. Der Ausgleichsanspruch der Fluggäste dürfe nicht von nationalen arbeitsrechtlichen Vorschriften abhängen.
Aus dieser Argumentation des EuGH ist m.E. abzuleiten, dass dann wohl überhaupt kein Streik des eigenen Personals mehr als außergewöhnlicher Umstand angesehen werden kann.