Einführung
Zum 1.8.2002 ist das 2. Schadensersatzrecht-Modernisierungsgesetz in Kraft getreten. Es stellt trotz der vielen anderen, immer häufiger werdenden gesetzlichen Novellierungen, wie des Verjährungsrechts, des VVG, des Schuldrechts in den Jahren 2002, 2008 bzw. 2001 oder zuletzt der Neueinführung des Hinterbliebenengeldes im Jahre 2017, die größte und bedeutsamste "Umwälzung" im Verkehrsrecht der letzten Jahrzehnte dar. Heute, fast 20 Jahre später, ist es an der Zeit, mal kurz inne zu halten und einen Rückblick auf die damaligen Inhalte zu machen, vor allem aber zu überlegen, was sich zwischenzeitlich zu den einzelnen neu geregelten Aspekten getan hat. Der Fokus der nachfolgenden Ausführungen liegt dabei primär auf den Reformen zu den Haftungsfragen und dem Personenschaden, auf die vorgenommenen Veränderungen im Sachschaden wird hingegen nur relativ kurz eingegangen.
A. Inhalte/Ziele der Schadensersatzrechtsreform
Mit den Neuregelungen zum 1.8.2002 wollte der Gesetzgeber z.B. beim Schutz von Kindern und Fahrzeuginsassen bestehende Haftungs- und Gerechtigkeitslücken beseitigen und dabei den Schadensaufwand vom Sach- zum Personenschaden umschichten. Gleichzeitig wurden die Haftungshöchstsummen an die veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst, das deutsche Schadensersatzsystem z.B. mit der Einführung des verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldes an die in anderen europäischen Ländern bestehenden Haftungsstandards angeglichen. Im Einzelnen beinhaltete die Reform folgende Neuregelungen :
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Beschränkung der Entlastungsmöglichkeit für den Fahrzeughalter auf "höhere Gewalt" (§ 7 Abs. 2 StVG) |
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Heraufsetzung der Haftungsgrenze für Kinder im motorisierten Straßenverkehr auf das 10. Lebensjahr (§ 828 Abs. 2 BGB) |
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Erweiterung der Ansprüche von Fahrzeuginsassen |
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Einführung der Halterhaftung bei Anhängern (§ 7 Abs. 1 StVG) |
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Regelung eines verschuldensunabhängigen Schmerzensgeldes (§§ 253 BGB, 11 Abs. 2 StVG) |
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Deutliche Erhöhung der StVG-Haftungshöchstsummen (§ 12 Abs. 1 StVG) |
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Begrenzung der Mehrwerterstattung auf den tatsächlichen Anfall im Sachschaden (§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB). |
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Einführung einer Haftung des Sachverständigen (§ 839a BGB) |
Alle Beteiligten standen damals im Vorfeld des Inkrafttretens der Reform angesichts der teilweise gravierenden Neuregelungen vor vielen Fragezeichen, da die konkreten Auswirkungen auf die Schadensregulierung völlig unklar waren. Betrachtet man diese im Rückblick, ist das damalige Gesetzeswerk bei objektiver Betrachtung als gut gelungen zu werten, die Neuregelungen konnten in der Praxis weitgehend ohne größere Probleme umgesetzt werden. Sie stellen einen gelungenen Kompromiss zwischen den teilweise doch divergierenden Interessen der einzelnen an der Regulierung beteiligten Gruppen dar. Dem Gesetz ist es zwangsläufig immanent, dass nicht alle im Vorfeld artikulierten Vorstellungen der Beteiligten realisiert werden konnten. So hätten sich die Vertreter der Geschädigten z.B. die Beibehaltung der Erstattung der Umsatzsteuer bei fiktiver Abrechnung gewünscht, die Haftpflichtversicherer hingegen die Streichung des Schmerzensgeldes bei sehr leichten Verletzungen, wie z.B. den nicht objektivierbaren HWS-Schleudertraumata.
B. Entlastung (nur) bei "höherer Gewalt" (§ 7 Abs. 2 StVG)
Mit der Reform des Schadensersatzrechtes im Jahre 2002 sollten im Bereich der Haftung besonders die Schwachen im Straßenverkehr, also Fußgänger, Radfahrer, vor allem aber Kinder, besser geschützt werden. Sie alle werden bei Unfällen mit Kfz bereits aufgrund der physikalischen Masseverhältnisse i.d.R. besonders schwer verletzt. Der Gesetzgeber hat darauf mit einer deutlichen Haftungsverschärfung zu Lasten des Kraftfahrers bzw. Halters des Fahrzeugs in § 7 Abs. 2 StVG reagiert. Konnte er sich nach "alter Rechtslage" noch entlas...