"… 3. Die Bekl. kann sich nicht darauf berufen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Kl. biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder sei mutwillig (§ 18 Abs. 1 D. ARB 2000). Denn das Rechtsschutzbedürfnis der Kl. gilt gem. § 128 S. 3 VVG als anerkannt, weil die Bekl. die erforderliche Belehrung gem. § 128 S. 2 VVG unterlassen hat."
a) Die Voraussetzungen für eine Belehrungspflicht gem. § 128 S. 2 VVG liegen vor. Da die Bekl. ihre Leistungspflicht teilweise abgelehnt hat, war sie verpflichtet, die Kl. auf die Möglichkeit eines Stichentscheids (§ 18 Abs. 2 D. ARB 2000) hinzuweisen.
aa) Die Belehrungspflicht gem. § 128 S. 2 VVG gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht nur dann, wenn der Versicherer Rechtsschutz vollständig versagt, sondern auch bei einer Teilablehnung (vgl. Prölss/Armbrüster, VVG, 30. Auflage 2018, § 128 VVG Rn 5). Für eine Verneinung der Leistungspflicht i.S.v. § 128 S. 2 VVG ist kein förmlicher Bescheid des Versicherers erforderlich. Es kommt vielmehr darauf an, wie ein Schreiben des Versicherers vom Versicherungsnehmer, der Rechtsschutz begehrt, zu verstehen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer, der Rechte gegenüber einem Dritten geltend machen will, regelmäßig auf eine schnelle und eindeutige Entscheidung des Rechtsschutzversicherers angewiesen ist, da von der Deckungszusage des Versicherers sein Kostenrisiko im Verfahren gegen den Dritten abhängig ist. Die vereinbarten Rechtsschutzbedingungen sehen in § 18 Abs. 1 eine Pflicht des Versicherers zur schnellen und eindeutigen Erklärung vor. Der Rechtschutzversicherer soll nicht die Möglichkeit haben, durch das Hinauszögern einer Erklärung oder durch die Abgabe einer unzulänglichen Erklärung über die Zugänglichkeit des Stichentscheid-Verfahrens zu disponieren (vgl. Bruns in Bruck/Möller, VVG Band 5, 9. Auflage 2019, § 128 VVG Rn 22). Dieser Gesichtspunkt ist bei der Auslegung der Schreiben der Bekl. mit zu berücksichtigen.
bb) Die Bekl. hat im Schreiben vom 19.4.2016 eine Deckungszusage abgelehnt für Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer, soweit diese einen Betrag von insgesamt 10.000 EUR übersteigen. Dieses Verständnis ergibt sich daraus, dass die Bekl. der Meinung war, sie müsse eine Zusage zur Gewährung von Rechtsschutz nur “dem Grunde nach' erteilen, ohne die Zusage auf die Höhe bestimmter Ansprüche zu erstrecken. Zu dieser Einschränkung war die Bekl. nicht berechtigt. Weder nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen noch nach den Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes hatte die Bekl. die Möglichkeit, ihre Zustimmung zu einer Verfolgung bestimmter Ansprüche der Höhe nach von einer “Abstimmung' abhängig zu machen. Die Kl. hat im Entwurfsschreiben vom 23.2.2016 ihr Rechtsschutzziel in den dort angegebenen Ansprüchen – auch der Höhe nach – definiert und konkretisiert. Gem. § 18 Abs. 1 D. ARB 2000 war die Bekl. nach der Deckungsanfrage der Kl. verpflichtet, sich zu diesen Ansprüchen vollständig und verbindlich zu erklären. Vor diesem Hintergrund ist das Schreiben der Bekl. vom 19.4.2016 eine Teilablehnung.
cc) Dem Charakter der Teilablehnung entsprechen die Einwendungen der Bekl. im Schreiben vom 19.4.2016. Die Bekl. hat im Einzelnen ausgeführt, weshalb sie in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht eine Durchsetzung der im Entwurfsschreiben vom 23.2.2016 genannten Ansprüche für wenig erfolgversprechend hielt. Aus den umfassenden Einwendungen der Bekl. ergibt sich, dass es nicht darum ging, aufgrund einer eventuellen ergänzenden Auskunft der Kl. (vgl. § 17 Abs. 5a D. ARB 2000) eine vollständige Entscheidung über die Rechtsschutzgewährung nachzuholen. Aus dem Schreiben der Bekl. vom 19.4.2016 konnte die Kl. nicht entnehmen, dass die Bekl. bei bestimmten, konkreten, zusätzlichen Auskünfte möglicherweise umfassenden Deckungsschutz gewähren würde.
dd) Die Bekl. kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Deckungsanfrage vom 23.2.2016 unklar gewesen wäre. Die konkreten Forderungen, welche die Kl. gegenüber dem Haftpflichtversicherer geltend machen wollte, waren im Einzelnen dem Entwurfsschreiben vom 23.2.2016 zu entnehmen.
b) Die Bekl. hat ihre Hinweispflicht gem. § 128 S. 2 VVG verletzt. Daraus ergibt sich die Fiktion der Anerkennung des Rechtsschutzbedürfnisses gem. § 128 S. 3 VVG.
aa) Weder das Schreiben der Bekl. vom 19.4.2016 noch das vorausgegangene Schreiben vom 14.3.2016 enthalten einen Hinweis darauf, dass die Kl. mit einem Stichentscheid ihrer Anwältin gem. § 18 Abs. 2 D. ARB 2000 das Rechtsschutzbedürfnis für beide Seiten verbindlich feststellen lassen konnte. Aus den Schreiben der Bekl. ergibt sich vielmehr, dass sie – rechtlich unzutreffend – der Auffassung war, wegen der Höhe der von der Kl. beabsichtigten Rechtsverfolgung komme ein Stichentscheid ihrer Anwältin nicht in Betracht.
bb) Der unterlassene Hinweis löst die Fiktion einer Anerkennung des Rechtsschutzbedürfnisses gem. § 128 S. 3 VVG aus. Der Umstand, dass die Kl. anwaltlich vertreten war und dass ihre Anwältin die Möglichkeit eines...