Die Fax-Übermittlung fristgebundener Schriftsätze schlägt oft fehl, weil konkurrierende Absender den Übertragungsweg blockieren oder Defekte an Absende- und/oder Empfangsgerät die Übermittlung in der einzuhaltenden Frist verhindern. Allerdings muss der Absender eine ausreichende Zeitreserve bei seinem Übermittlungsversuch in Rechnung stellen, weil er eine Belegung des Empfangsgerätes berücksichtigen muss. Vor allem vor Mitternacht des letzten Tages vor Ablauf der Frist muss er je nach Länge des zu übermittelnden Schriftstücks einen größeren Zeitraum als eine halbe Stunde für den Beginn des Übermittlungsversuchs berücksichtigen (vgl. eingehend OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.4.2018 – I- 3 U 81/18).
1) Ob bei dieser Gefahr der drohenden Fristversäumung und wenigstens zweifelhafter Chancen einer Wiedereinsetzung die Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) eine erfolgsversprechende Möglichkeit der Fristwahrung bietet, beantwortet das LG Mannheim unterschiedlich zu der dies bejahenden Stellungnahme des LG Krefeld (zfs 2020, 151, ebenso OLG Dresden NJW 2019, 3312).
2) Ginge man davon aus, dass das beA bei drohendem Versagen des Übermittlungsversuchs per Fax aktiv zur Übermittlung zu nutzen sei und das Unterbleiben eines solchen Versuchs bei der versuchten Übermittlung mit der Folge der Fristversäumung ein Verschulden begründe, wäre eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen.
Der pannenreiche Start des beA und die nach Behebung der Mängel verbreitete passive Nutzung rechtfertigen allerdings nicht die Annahme einer Pflicht zur aktiven Nutzung zur Übermittlung von Schriftstücken (vgl. Günther NJW 2020, 1785). Lediglich die passive Nutzungspflicht des beA ist derzeit gesetzlich angeordnet (vgl. Günther a.a.O.). Die aktive Nutzungspflicht gilt erst ab dem 1.1.2022. Zur Begründung für diesen Aufschub des Inkrafttretens hatte der Bundestag ausgeführt, erst ab diesem Zeitpunkt könne verantwortet werden, die aktive Nutzungspflicht einzuführen, weil erst dann gesichert sei, dass der elektronische Zugang zu den Gerichten fehlerfrei und ohne Störungen ordnungsgemäß funktioniere (vgl. BT-Drucks. 17/12634 (12641); vgl. auch Siegmund NJW 2020, 1785).
3) Das LG sah als entscheidendes Argument gegen einen Übergang auf das beA bei drohendem Scheitern der Übermittlung per Fax die von dem Gericht beobachtete Fehlbedienung durch Anwälte an. Da eine Verpflichtung des Anwalts vor dem 1.1.2022 zur aktiven Nutzung nicht besteht, auch für den "Notfall" einer scheiternden Übermittlung per Fax nicht bestimmt ist und der Einsatz des beA Haftungsfallen begründet, dürfte derzeit ein fehlendes Übergehen auf das beA bis zum 1.1.2022 kein im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuchs als Verschulden zu bewertendes Unterlassen begründen. Allerdings gebiete es die anwaltliche Sorgfaltspflicht möglicherweise, bei drohendem Scheitern der Übermittlung per Fax auf das beA überzugehen (Siegmund a.a.O). Glückt der Übermittlungsvorgang, muss allerdings vergleichbar der Fax-Übertragung eine Überprüfung des Erfolgs des Übermittlungsvorgangs stattfinden (Überprüfung des Sendeprotokolls, OK-Vermerk, vollständige übermittelte Seitenzahl; vgl. NJW 2020, 1809; NJW 2020, 183; BGH NJW 2016, 2042; Günther NJW 2020, 183).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 2/2021, S. 83 - 86