RVG § 10 Abs. 1 S. 1 § 11; BGB §§ 126 Abs. 1 und 3; ZPO § 130a Abs. 3 und Abs. 4 Nr. 2

Leitsatz

Die Honorarberechnung nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG geht dem Mandanten nicht in der erforderlichen schriftlichen Form zu, wenn die Berechnung vom Rechtsanwalt mit einfacher Signatur über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Gericht gesandt und von dort in ausgedruckter Form dem Mandanten zugeleitet wird.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2022 – I-3 W 111/22

1 Sachverhalt

Der Rechtsanwalt hatte beim Prozessgericht, dem LG Duisburg, die Festsetzung seiner Vergütung gegen den eigenen Mandanten gem. § 11 RVG beantragt. Diesen Antrag hatte er dem LG über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) in der Weise übermittelt, dass er der Antragsschrift eine Kostenaufstellung beigefügt und diese mit einfacher Signatur versehen hat. Die Rechtspflegerin des LG hat den Vergütungsfestsetzungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Rechtsanwalt habe dem Auftraggeber die Vergütungsberechnung nicht in ordnungsgemäßer Form mitgeteilt, wie es § 10 Abs. 1 S. 1 RVG erfordere. Die Überendung einer Abschrift der Berechnung über das beA genüge nicht dem Schriftformerfordernis. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen:

I. “ Die gemäß § 11 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers, über die gemäß § 568 S. 1 ZPO der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden hatte, hat keinen Erfolg.

Zu Recht hat die Rechtspflegerin angenommen, dass die Voraussetzungen für die Gebührenfestsetzung nach § 11 Abs. 1 S. 1 RVG nicht vorliegen.

Der Antrag ist gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 RVG zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Dies setzt zum einen gemäß § 8 Abs. 1 RVG voraus, dass die Angelegenheit erledigt ist, was hier angesichts der Beendigung des erstinstanzlichen und zweitinstanzlichen Klageverfahrens nebst Prozesskostenhilfeverfahren in beiden Instanzen der Fall ist.

Zum anderen kann der Rechtsanwalt die Vergütung gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 RVG nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern.

Hier mangelt es, wie die Rechtspflegerin zutreffend ausgeführt hat, an einer von ihm unterzeichneten Berechnung.

Normzweck des § 10 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Übernahme der Verantwortung für die Richtigkeit der Berechnung in strafrechtlicher (§ 352 StGB), zivilrechtlicher und berufsrechtlicher Hinsicht durch den Rechtsanwalt. Der Inhalt der Berechnung muss durch die Unterschrift des Rechtsanwalts gedeckt sein. Ein Faksimilestempel oder ein Handzeichen reichen als Unterschrift nicht aus (BeckOK RVG/v. Seltmann, 57. Ed. 1.9.2021, RVG § 10 Rn 6 f.). Insoweit handelt es sich um dieselben Voraussetzungen des Schriftformerfordernisses des § 126 Abs. 1 1. Fall BGB, wonach eine Unterzeichnung durch eigenhändige Namensunterschrift des Ausstellers erforderlich ist (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl. 2021, § 10 Rn 5, 11).

Vorliegend befindet sich die Kostenaufstellung allein in dem aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) des Antragstellers mit einfacher Signatur versehenen, an das LG versendeten Schriftsatz vom 30.12.2021 im Festsetzungsverfahren. Diese Übermittlung genügt zwar den prozessualen Anforderungen des § 130a ZPO an die elektronische Einreichung von Schriftsätzen: Gemäß § 130a Abs. 3 2. Alt. i.V.m Abs. 4 Nr. 2 ZPO kann anstatt der Übermittlung des elektronischen Dokuments mit einer qualifizierten elektronischen Signatur auch dessen (einfache) Signatur durch die verantwortende Person und die Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg, wie dem beA erfolgen.

Diese auf die Abgabe prozessualer Erklärungen beschränkte Vorschrift berührt die förmlichen Voraussetzungen für die Abgabe von materiellrechtlichen Erklärungen allerdings nicht (BeckOK ZPO/von Selle, 46. Ed. 1.9.2022, § 130a Rn 6 f.; Ehrmann/Streyl, NZM 2019, 873, 875 f. beck-online). So sieht § 126a Abs. 1 BGB ausdrücklich und unverändert vor, dass die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form (s.o.) durch die elektronische Form nur dadurch ersetzt werden kann, dass das elektronische Dokument vom Aussteller mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wird.

Der Festsetzungsantrag ist hier nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, sondern nur mit einer einfachen Signatur versehen worden. Eine solche meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes. Dies kann – wie hier – der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (vgl. BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20, Rn 15- BAGE 172, 186 = NJW 2020, 3476; BeckOK ZPO/von Selle, a.a.O., § 130a Rn 16). Dadurch ist dem Unterschriftserfordernis des § 10 Abs. 1 S. 1 RVG weder nach § 126 Abs. 1 BGB noch nach § 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB genügt.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung, die in diesem Zusammenhang zu in Papierform eingereichten Schriftsätzen ergangen ist: Danach kann...

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