[…] II. Der Schuldspruch hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2e, Abs. 3 Nr. 2 StGB verurteilt hat. Denn die getroffenen Feststellungen tragen ein rücksichtsloses Handeln des Angeklagten nicht. Auf die daneben erhobene Verfahrensrüge, die ausschließlich auf die Verurteilung wegen dieses Delikts abzielt, kommt es daher nicht an.
1. Gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2e StGB macht sich strafbar, wer grob verkehrswidrig und rücksichtslos an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Seite der Fahrbahn einhält. Rücksichtslos handelt ein Fahrer, der sich im gegebenen Falle seiner Pflicht bewusst ist, aber aus eigensüchtigen Gründen, etwa seines ungehinderten Vorwärtskommens wegen, sich über sie hinwegsetzt, mag er auch darauf vertraut haben, dass es zu einer Beeinträchtigung anderer Verkehrsteilnehmer nicht kommen werde (bewusste Fahrlässigkeit). Rücksichtslos handelt ferner, wer sich aus Gleichgültigkeit auf seine Pflichten als Fahrer nicht besinnt, Hemmungen gegen seine Fahrweise in sich gar nicht aufkommen lässt und unbekümmert um die Folgen seines Verhaltens drauflosfährt (BGH, Urt. v. 25.2.1954 – 4 StR 796/53, BGHSt 5, 392, 395; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.6.2021 – 1 OLG 2 Ss 9/21). Das Tatbestandsmerkmal der Rücksichtslosigkeit erfordert demnach eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit. Gelegentliche Unaufmerksamkeit oder reine Gedankenlosigkeit genügen hierfür nicht (vgl. BGH, a.a.O., 396; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.12.1999 – 2b Ss 87/99 – 46/99 I). Ebenso wenig begründet ein bloß fahrlässiger Verstoß für sich den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit, auch nicht bei Eintritt einer konkreten Gefährdung. Der Täter muss vielmehr ein überdurchschnittliches Fehlverhalten gezeigt haben, das von einer besonders verwerflichen Gesinnung geprägt sein muss (OLG Zweibrücken, a.a.O.; KG, Beschl. v. 29.4.2022 – (3) 161 Ss 51/22 (15/22)).
Nach diesen Maßstäben handelte der Angeklagte nicht rücksichtslos. Zwar setzte sich der Angeklagte über die Regeln der Straßenverkehrsordnung, insbesondere das in § 2 Abs. 2 StVO normierte Rechtsfahrgebot, hinweg, als er sich vor und während der Fahrt keine Gedanken über die in Deutschland geltenden Verkehrsregeln machte. Dabei handelte er nach den Feststellungen des Tatgerichts aber nicht bewusst oder aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Straßenverkehrsteilnehmern, sondern lediglich aus Unachtsamkeit, nachdem er sich sieben Wochen in einem Land aufgehalten hatte, in dem Linksverkehr vorherrschte. Der Angeklagte erweist sich dadurch nicht als gleichgültiger Fahrer. Er handelte insoweit zwar fahrlässig, weil er sich vor Fahrtantritt und während der Fahrt die geltenden Verkehrsregeln hätte vor Augen führen müssen. Ein darüber hinausgehender Vorwurf ist von den Feststellungen aber nicht gedeckt.
2. Der Senat kann den Schuldspruch selbst entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ändern. Es ist auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Strafbarkeit gemäß § 315c Abs. 1 und 3 StGB tragen.
Soweit das Amtsgericht eine fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1b, Abs. 3 Nr. 2 StGB angenommen hatte, weil der Angeklagte übermüdet gewesen wäre, tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen eine solche Wertung nicht. Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Angeklagte ca. eine Stunde nach seinem vierstündigen Schlaf am Vormittag "fit" fühlte. Anhaltspunkte für eine Übermüdung in einem Ausmaß, die die Gefahr einer Aufhebung der Fahruntüchtigkeit mit sich gebracht hätte (vgl. hierzu König in LK-StGB, 12. Aufl., § 315c Rn 62 ff.) und die Ursache für den Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot hätte sein können, ergeben sich nicht.
3. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich. Die insoweit zugehörigen Feststellungen werden aufgehoben, um insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
zfs 2/2023, S. 110 - 111