[…] II. Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 3 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige sowie konkludent auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft erweist sich als begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde der StA ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, denn nach dem insoweit maßgeblichen Sinn ihrer Rechtsbeschwerdebegründung hat sie den Schuldspruch nicht angefochten. Eine Überprüfung des Urteils hinsichtlich der Feststellungen zur Fahrereigenschaft des Betroffenen und zur Schuldform ist dem Senat von daher verwehrt.
Die StA hat keinen konkreten Rechtsbeschwerdeantrag gestellt und keine bestimmte Rüge erhoben, was aber der Auslegung ihres Vorbringens als Sachrüge nicht entgegensteht, solange sich aus ihrem Vorbringen eindeutig ergibt, dass und inwieweit sie die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 66. Aufl. § 344 Rn 13, 14).
Hinsichtlich des Angriffsziels eines Rechtsmittels ist der Sinn der Rechtsmittelbegründung maßgeblich. Für Rechtsbeschwerden der Staatsanwaltschaft sind hierbei die Nrn. 156, 293 Abs. 1 RiStBV in den Blick zu nehmen. Hiernach ist die StA verpflichtet, jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel zu begründen. Darüber hinaus soll die Staatsanwaltschaft ihre Revision/Rechtsbeschwerde stets so rechtfertigen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nrn. 156 Abs. 2, 293 Abs. 1 RiStBV). Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die der sachkundigen Zusammenfassung der mit dem Rechtsmittel geführten rechtlichen Angriffe dient (so für das Revisionsverfahren BGH NStZ-RR 2022, 201).
Die Ausführungen der StA beschränken sich vorliegend auf die Beanstandung, dass das Amtsgericht nicht von der Verhängung eines Fahrverbots hätte absehen dürfen. Hieraus ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht und nur hinsichtlich des Absehens von einem Fahrverbot für rechtsfehlerhaft hält und es allein insoweit anfechten will. Wegen der Wechselwirkung von Geldbuße und Fahrverbot bezieht sich die Beschränkung allerdings nicht allein auf die Nichtverhängung eines Fahrverbots, sondern auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt.
2. Die Rechtsbeschwerde der StA ist begründet, weil die Erwägungen des AG ein Absehen von dem nach §§ 41 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV, Nr. 11.3.9 BKat regelmäßig zu verhängenden Fahrverbot von zwei Monaten nicht rechtfertigen.
Das AG hat die Nichtanordnung eines Fahrverbots unter gleichzeitiger Verdopplung der Regelgeldbuße damit begründet, dass der Betroffene Vater zweier minderjähriger, bei der Kindesmutter in B. (je nach Fahrtstrecke) zwischen 103 und 128 km vom Wohnort des Betroffenen entfernt lebender Kinder ist. Nach einer gerichtlichen Umgangsregelung habe er das Recht und die Pflicht die Kinder jeden Donnerstag um 15:00 Uhr im Kindergarten abzuholen und sonntags um 18:00 Uhr zur Mutter zurückzubringen. Die Fahrzeit zwischen dem eigenen Wohnort und dem Wohnort der Kinder betrage mit dem Pkw einfach ca. eineinhalb Stunden; mit öffentlichen Verkehrsmitteln betrage sie mehrere Stunden. Die Fahrt sei zudem nicht beliebig realisierbar, sondern von den Fahrplänen der öffentlichen Verkehrsmittel abhängig. Fixe Übergabezeiten ließen sich dadurch nicht einhalten. Eine vorübergehende Abänderung der Umgangsregelung für die Kinder oder verlängerte Fahrzeiten stellten für diese eine erhebliche Belastung dar. Angesichts eines frei verfügbaren Einkommens von knapp über 1.000 EUR monatlich sei die Inanspruchnahme eines Taxiunternehmens für die Fahrt dem Betroffenen finanziell nicht möglich. Die Inanspruchnahme eines Kredits erscheine angesichts der schlechten Bonität des Betroffenen aussichtslos. Zudem läge die Tat, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verfahrensdauer "auch auf das Prozessverhalten des Betroffenen zurückzuführen sei", bereits ca. 14 Monate zurück, ohne dass der Betroffene nochmals verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten sei.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Aufgrund der auch von den Gerichten zu beachtenden Vorbewertung des Verordnungsgebers in § 4 Abs. 1 BKatV ist das Vorliegen einer groben Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG indiziert, so dass es regelmäßig der Anordnung eines Fahrverbotes als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf. Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen. Zu diesen Rechtsfolgen zählt nicht nur die Frage, ob gegen einen Betroffenen in der Regel ein Fahrverbot zu verhängen ist (§ 4 Abs. 1 S. 1 BKatV), sondern auch, wie sich aus § 4 Abs. 1 S. 2 BKatV ergibt, die in der Regel festzusetzende Dauer des aufgrund einer groben Verletzung der...