Das Mahnverfahren, das nach § 688 ZPO zur versuchten Titulierung von unbedingten bestimmten Geldbeträgen offen steht, ist nur dann schneller, billiger und einfacher als die klagenweise Geltendmachung einer Geldforderung, wenn weder der Widerspruch gegen den Mahnbescheid noch der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zu einer Verzögerung der Titulierung führen.
Eine der erwünschten "Nebenwirkungen" des Mahnbescheides ist die Hemmung der Verjährung der dem Mahnbescheid zu Grunde liegenden Forderung (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB).
Die Erwartung des Antragstellers, er habe eine Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist durch Betreiben des Mahnbescheidsverfahrens erreicht, wird jedoch häufig dann enttäuscht, wenn das Prozessgericht eine fehlende Individualisierung des im Mahnbescheidsverfahrens geltend gemachten Anspruchs feststellt. Grundlage hierfür ist § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, der eine hinreichende Individualisierung des Anspruchs fordert. Deren Zweck wird in zweifacher Hinsicht konkretisiert: Zum einen soll der geltend gemachte Anspruch in der Weise konkretisiert sein, dass er sich durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüche so unterscheidet und abgegrenzt wird, dass er über das abschließende Verfahren der Herbeiführung eines Vollstreckungsbescheides die Grundlage eines Vollstreckungstitels sein kann. Weiterer Zweck der Bestimmtheit des verfolgten Anspruchs ist es, dass der Schuldner als Adressat des Mahnbescheidsantrages einschätzen können soll, ob sich die Verteidigung im Mahnbescheidsverfahren lohnt (vgl. BGH NJW 1992, 1111; BGH WM 1993, 418; BGH NJW 2002, 520, 521). Steht es fest, dass zwischen den Parteien weitere Rechtsbeziehungen nicht bestehen, kann die Bezeichnung im Mahnbescheidsantrag "Anspruch aus Werkvertrag Werklieferungsvertrag" für Forderungen aus einem nicht näher gekennzeichneten und vorzeitig beendeten Bauvertrag für die Individualisierung genügen (BGH NJW 2002, 520). In der Regel wird etwa bei Bezugnahme auf den Mahnbescheidsantrag nicht beigefügte Rechnungen spätestens von dem Prozessgericht, an das das Verfahren nach Einlegung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid oder nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid abgegeben wird, festgestellt werden, dass die materiellrechtliche Wirkung des Eintritts der Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist nicht eingetreten ist. Gerade dann, wenn mehrere Einzelansprüche unter Zusammenfassung in einer Summe geltend gemacht werden, müssen die Einzelforderungen nach Individualisierungsmerkmalen und Betrag bestimmt sein (BGHR 2008, 511, 512; BGH WM 1993, 418). Ein unbestimmter Mahnantrag ist unwirksam und hemmt nicht die Verjährung. Zwar kann die Bestimmung nachgeholt werden, führt aber mangels Rückwirkung nicht mehr zur Annahme einer Hemmung der inzwischen abgelaufenen Verjährungsfrist (vgl. BGH NJW 2001, 305). Diese von dem BGH seit dem Jahre 1992 gesteigerten Anforderungen an die Individualisierung des im Mahnbescheidsverfahren verfolgten Anspruchs (vgl. hierzu E. Schneider, MDR 1998, 1333) führt häufig zu Enttäuschungen der Gläubiger und seiner Bevollmächtigten, mit der Beantragung des Mahnbescheides alles getan zu haben, um die Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Wird im Mahnbescheidsverfahren der schließlich nach den Vorstellungen des Prozessgerichts angebrachte hohe Standard der Individualisierung nicht erreicht, wiegt sich der Gläubiger in trügerischer Gewissheit (vgl. auch Salten, MDR 1998, 1145). Hatte der Rechtspfleger nicht die ihm nach § 691 Abs. 2 ZPO obliegenden Beanstandungen hinsichtlich der Individualisierung erhoben, konnte nicht mehr rechtzeitig – innerhalb noch laufender Verjährungsfrist – eine Heilung dieses Mangels des Mahnbescheidsantrages erfolgen. Zur Vorbeugung ist dem Anwalt zu raten, dem Mahnbescheidsantrag Rechnungen und Korrespondenz beizufügen und zu hoffen, dass auch diese dem Schuldner zugestellt wird. Allerdings unterbleibt häufig die Zustellung dieser beigefügten Unterlagen, was zur Unwirksamkeit des Mahnbescheides führt (vgl. E. Schneider, a.a.O.; Salten, MDR 1998, 1147 und eingehend BGH NJW 1995, 2231). Die von dem Bevollmächtigten geschuldete Wahl des sichersten Weges erfordert deshalb, dass er im Mahnbescheidsantrag auf die Notwendigkeit der Zustellung dieser Unterlagen hinweist.
Eine andere Frage ist es, ob die Anforderungen der Rspr. an die Individualisierung der Forderung im Mahnbescheidsverfahren übersetzt sind, die bis hin zum Substantiierungsgebot gesteigerten Vorgaben dadurch auf ein brauchbares Maß zurückgeführt werden können, dass es häufig für den Schuldner ohne Zweifel erkennbar ist, welche Forderung gegen ihn geltend gemacht wird (vgl. die Beispiele bei E. Schneider, a.a.O., 1334).
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt am Main