AVB Reisekrankenversicherung § 1 Ziff, 1, Ziff 2a S. 1
1. Eine akute unerwartete Erkrankung liegt vor, wenn sie aus objektiver Sicht plötzlich und ohne erkennbare Anzeichen auftritt. Das kann auch bei einer mit einer Vorerkrankung zusammen hängenden Erkrankung der Fall sein.
2. Die Behandlungsbedürftigkeit einer vor Reiseantritt bekannten Erkrankung ist absehbar, wenn sie sich für den Versicherungsnehmer oder die versicherte Person auf Grund konkreter Kenntnis über den vor Reiseantritt bestehenden Gesundheitszustand wenigstens als wahrscheinlich darstellt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 30.10.2009 – 20 U 62/09
Der Kläger schloss bei der beklagten Versicherung eine Reisekrankenversicherung I für die Zeit vom 1.9.2007 bis 30.11.2007 für Besucher der Bundesrepublik Deutschland ab. Auszugsweise ist in den AVB Folgendes geregelt:
§ 1 Ziffer 1.
Der B erbringt im Rahmen dieser Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz bei akuter, unerwarteter Erkrankung, Verletzung und einem unerwarteten Todesfall. …
§ 1 Ziffer 2. a) S. 1
Kein Versicherungsschutz besteht, wenn Sie oder Ihr Gast vor Reiseantritt wussten oder absehbar war, dass Ihrem Gast vor Reiseantritt bekannte Beschwerden, Erkrankungen oder Verletzungen während seiner Reise behandlungsbedürftig werden; der Ausschluss gilt auch für die Folgen einer solchen Behandlung (einschließlich Tod).
Versicherte Person war die am 29.9.1936 geborene U. U litt nach Angaben ihrer behandelnden Ärztin im Wesentlichen an nicht insulinabhängigem Diabetes mellitus, Koronararterienerkrankung (Brustschmerzen, Angina), Herz-Rhythmus-Störungen, Hypertonie und Hyperurikämie. Ein am 1.6.2007, dem letzten Behandlungstermin vor Reisantritt, durchgeführtes EKG ergab einen alten inferioren Myokardinfarkt.
Frau U reiste am 28.9.2007 nach Deutschland ein. Am 5.10.2007 erlitt sie einen Myokardinfarkt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Erstattung von Behandlungskosten.
Aus den Gründen:
“… Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die durch Rechnungen belegten Aufwendungen für die ärztliche Behandlungen des bei Frau U während des Besuchs in Deutschland aufgetretenen Herzinfarkts in Höhe eines Gesamtbetrages von 23.821,33 EUR zu erstatten.
Bei dem Herzinfarkt handelt es sich um eine akute, unerwartete Erkrankung i.S.v. § 1 Ziffer 1. AVB. Wie der in den Bedingungen verwendete Begriff der akuten, unerwarteten Erkrankung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist maßgebend, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Klausel bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (BGHZ 123, 83, 85; BGH VersR 2001, 184).
Den Begriff der akuten Erkrankung wird ein Versicherungsnehmer dahin verstehen, dass eine plötzliche Verschlechterung des bisherigen Gesundheitszustandes auftritt. Wenn der Versicherungsnehmer bzw. die versicherte Person bereits an einer chronischen Grunderkrankung leidet, wird er der Klausel nicht entnehmen, dass von vornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jener Grunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll. Dafür gibt das in die Versicherungsbedingungen aufgenommene Wort ‘akut’ nichts her; dieses deutet im Gegenteil darauf hin, dass jede nachteilige Veränderung des Gesundheitszustandes, die sich von einem Tag auf den anderen einstellt, vom Versicherungsschutz erfasst ist.
Was unter einer ‘unerwarteten’ Erkrankung zu verstehen ist, erschließt sich dem um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres. Er wird erkennen, dass es im Rahmen des in § 1 Ziffer 1 AVB gegebenen Leistungsversprechens auf seine subjektive Einschätzung, ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, nicht ankommen kann, denn insoweit hat der Versicherer ausdrücklich einen Risikoausschluss in § 1 Ziffer 2 a) AVB formuliert, der anderenfalls weitgehend gegenstandslos wäre. Andererseits wird der Versicherungsnehmer, der zur Kenntnis genommen hat, dass seine subjektive Sicht bei der Ausfüllung des Begriffs der unerwarteten Erkrankung i.S.v. § 1 Ziffer 1 keine Bedeutung haben kann, nicht zu der Erkenntnis gelangen, es sei insoweit auf die Einschätzung Dritter, insbesondere auf eine ärztliche Beurteilung, ob die Erkrankung unerwartet aufgetreten ist, abzustellen, denn dies hätte zur Folge, dass der Umfang des gewährten Versicherungsschutzes für den in aller Regel medizinisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer undurchschaubar würde. Demgemäß kommt es vorliegend nicht auf die von den beteiligten Gutachtern diskutierte Frage an, mit welcher Wahrscheinlichkeit aus medizinischer Sicht der Eintritt eines Herzinfarktes bei Frau U angesichts ihrer Vorerkrankungen zu erwarten war; es bedarf deshalb auch nicht der von der Beklagten beantragten Anhörung des Gerichtsgutachters. Um sich die Bedeutung des Begriffs ‘unerwartete Erkrankung’ in § 1 Ziffer 1 AVB näher zu erschließen, wird der Versicherungsnehmer sehen, dass das Wort ‘unerwartet’ in den Bedingungen gemeinsam mit dem Beg...