Prof. Dr. Roland Rixecker
Das Urteil führt in eine schwierige Gemengelage von Rückwärtsversicherung und vorläufiger Deckung und verstrickt sich darin.
Der Versicherungsnehmer, der seit 4.12.2009 vorläufige Deckung (zumindest) in der Kfz-Haftpflichtversicherung genoss, hatte am 14.12.2009 eine Vollkaskoversicherung beantragt und ab diesem Tag auch erhalten. Weil er schon am 13.12.2009 einen Unfall erlitten hatte, versagte ihm das LG einen Anspruch. Da das LG annimmt, dass der 4.12.2009 als materieller Versicherungsbeginn aufgrund fehlender Belehrung des Versicherungsnehmers über eine Abweichung der Police von der Vertragserklärung nach § 5 Abs. 2 VVG galt, muss der Versicherungsantrag auf eine Rückwärtsversicherung nach § 2 Abs. 1 VVG gerichtet gewesen sein. Da der Versicherungsnehmer von dem Versicherungsfall jedoch vor dem nach § 2 Abs. 2 S. 2 VVG jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der Abgabe der Vertragserklärung Kenntnis hatte, war der Versicherer insoweit leistungsfrei.
Das galt jedoch nur für den Schutz aus dem Hauptvertrag. Genoss der Versicherungsnehmer zunächst Vollkaskoschutz aus einer selbständigen vorläufigen Deckungszusage (wofür angesichts der unstreitigen Deckung aus der Kfz-Haftpflichtversicherung manches spricht und was der Versicherungsnehmer behauptet hatte), so ist § 52 Abs. 1 S. 1 VVG zu beachten. Danach endet die vorläufige Deckung an sich mit dem Beginn des materiellen Versicherungsschutzes aus dem Hauptvertrag, der im vorliegenden Fall kraft Rückwärtsversicherung am 4.12.2009 eintrat. Damit hätte es der Versicherer indessen in der Hand, den bestehenden Versicherungsschutz aus vorläufiger Deckung über eine Rückwärtsversicherung rückwirkend aufzuheben. Das kann nicht sein, wie sich aus einer etwas komplizierten Überlegung ergibt: Beachtet ein Versicherer die ihn bei Abweichung der Police von dem Versicherungsantrag treffenden Belehrungspflichten nach § 5 Abs. 2 S. 2 VVG, so endet die vorläufige Deckung erst mit dem Zugang des Widerspruchs des Versicherungsnehmers beim Versicherer (§ 52 Abs. 3 VVG). Ist vor der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers folglich ein Versicherungsfall eingetreten, den er kennt, hat er die Chance, durch Erhebung eines Widerspruchs gegen die nicht beantragte Rückwärtsversicherung die bestehende vorläufige Deckung zu erhalten. Der Versicherer kann aber nicht besser stehen, wenn er die ihm obliegende Belehrung unterlässt und dem Versicherungsnehmer so diese Chance nimmt.
Das LG hätte folglich prüfen müssen, ob ab 4.12.2009 vorläufige Deckung bestand. Das hat es offenbar versäumt.
Prof. Dr. Rixecker