Hingegen wies das AG München mit Urt. v. 27.10.2020[22] die auf Rückerstattung gerichtete Klage einer Reisenden ab. Die Klägerin hatte im Januar 2020 eine Ostseekreuzfahrt für Juni/Juli 2020 gebucht. Anfang April 2020 trat sie vom Pauschalreisevertrag zurück und klagte schließlich auf Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Allein die Tatsache der Pandemie reicht nach Auffassung des AG München jedoch nicht aus, um "jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschädigungszahlungen zuzulassen". Es ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise aus einer ex-ante Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein wird. Spätere Ereignisse können die ex-ante Beurteilung nicht nachträglich ändern. Es komme angesichts der Dynamik der Pandemie auf die Umstände des Einzelfalls an.[23] Sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes als auch die Einreiseverbote nach Dänemark und Russland seien zunächst befristet gewesen. Damit habe im Zeitpunkt des Rücktritts für den konkreten Reisezeitraum noch keine Reisewarnung vorgelegen. Zwar lagen zu dieser Zeit bereits erste Erfahrungen mit Corona-Ausbrüchen auf Kreuzfahrtschiffen vor. Dennoch sei Anfang April 2020 nach Auffassung des AG München nicht ausgeschlossen gewesen, dass drei Monate später mit einem Hygienekonzept und Testungen der Passagiere die Durchführung der Kreuzfahrt möglich gewesen wäre. Für dynamische Pandemie-Entwicklungen sei eine Vorschau über einen längeren Zeitraum (hier 3 Monate) in die Zukunft nicht prognosesicher. Auch könne die sogenannte Hurrikan-Entscheidung des BGH[24] nach Auffassung des AG München nicht auf die Corona-Pandemie übertragen werden, zumal die dort wissenschaftliche Wetterprognose (25 % Wahrscheinlichkeit des Auftreffens auf den Urlaubsort) für die Corona-Pandemie nicht wissenschaftlich zu treffen sei. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte geht das AG München davon aus, das bei der ex-ante-Betrachtung Anfang April 2020 nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass im Reisezeitraum Umstände vorliegen werden, die die Reise erheblich beeinträchtigen. Nach Ansicht des AG München soll der frühzeitige Rücktritt der Klägerin vielmehr dafür sprechen, dass ihr bereits zu diesem Zeitpunkt klar gewesen sein soll, dass sie die Kreuzfahrt unter keinen Umständen wahrnehmen möchte. Dies seien aber primär bloße Unwohl- und Angstgefühle, die für eine kostenlose Stornierung gerade nicht ausreichen.

[22] AG München, Urt. v. 27.10.2020 – 159 C 13380/20 (PM 50 v. 13.11.2020), BeckRS 2020, 31180 = DAR 2021, 35 (m. Anm. Staudinger).
[23] Insoweit noch übereinstimmend mit den drei o.g. Urteilen der Amtsgerichte Frankfurt a.M., Köln und Stuttgart.

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