Einführung
Das vergangene Jahr 2020 war auch aus reiserechtlicher Sicht geprägt von den Auswirkungen der nach wie vor andauernden COVID-19-Pandemie. Sowohl Reisende als auch Reiseveranstalter und Fluggesellschaften waren massiv von den Corona-Folgen betroffen. Der BGH verkündete im Berichtszeitraum nur eine Handvoll reiserechtlicher Entscheidungen (darunter die in einem Hinweisbeschluss versteckte Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung), jedoch wurde eine außerordentlich breite Instanzrechtsprechung veröffentlicht – teilweise bereits zu Corona-spezifischen Rechtsfragen. Auf europäischer Ebene wurde der stets propagierte Verbraucherschutz weiter gefestigt. Daneben nutzte der nationale Gesetzgeber endlich die Gelegenheit, lange überfällige Anpassungen des deutschen Reiserechts auf den Weg zu bringen. Anknüpfend an den Vorjahresaufsatz (zfs 2020, 125-132) fasst der Autor mit diesem Artikel die wesentlichen reiserechtlichen Entwicklungen des Jahres 2020 zusammen.
A. Pauschalreiserecht
Gerade in Krisenzeiten ist der Pauschalreisende in vielen Fällen deutlich besser gestellt als der Individualreisende. Zugunsten des Reisenden sind insbesondere im Reisevertragsrecht der §§ 651a bis 651y BGB (n.F.) zahlreiche Schutznormen verankert.
I. Verkehrssicherungspflichten im Hotel
Schon im Vorjahresaufsatz wurde das zu Beginn des Jahres verkündete Urteil des BGH v. 14.1.2020 erläutert, wonach dem auf einer regennassen Rollstuhlrampe vor dem Hoteleingang gestürzten und dabei verletzten Reisenden trotz ggf. vorhandener Warnschilder Ansprüche gegen den Veranstalter wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zustehen können, wenn die Rollstuhlrampe nicht den örtlichen Bauvorschriften entsprach.
II. Rücktritt vor Reisebeginn
Zwar kann der Reisende vor Reisebeginn jederzeit vom (Pauschal-)Reisevertrag zurücktreten, jedoch kann der Reiseveranstalter dann grundsätzlich eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 651h Abs. 1 BGB). Üblicherweise sind in den Reisebedingungen der Veranstalter Entschädigungspauschalen in Form von Stornostaffeln geregelt (vgl. § 651h Abs. 2 BGB). Der Reiseveranstalter kann jedoch dann keine Entschädigung verlangen, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen. Umstände sind unvermeidbar und außergewöhnlich, wenn sie nicht der Kontrolle der Partei unterliegen, die sich hierauf beruft, und sich ihre Folgen auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen worden wären (§ 651h Abs. 3 BGB).
Da die meisten betroffenen Reisenden sich – insbesondere zu Beginn der Pandemie – von den in vielen Fällen lange vor der Krise gebuchten Pauschalreisen möglichst entschädigungslos lösen wollten, die Veranstalter aber oft eine sichere Durchführbarkeit der Reisen behaupteten (und daher die Rücktrittsentschädigung geltend machten), kam es im Berichtszeitraum häufig zum Streit über die Zahlung der Entschädigung an den Veranstalter bzw. Rückzahlung des Reisepreises an den Reisenden. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Auslegung des § 651h Abs. 3 BGB im Jahr 2020 zu einer der umstrittensten reiserechtlichen Probleme überhaupt. Letztlich erging dazu eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen.
1. AG Frankfurt a.M. (11.8.2020)
Bereits mit Urt. v. 11.8.2020 entschied das AG Frankfurt a.M., dass keine allzu strengen Anforderungen an das Vorliegen der unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umständen zu stellen seien. Der dortige Kläger hatte im Mai 2019 eine Flugreise nach Neapel (Flug und Hotel) für April 2020 gebucht. Unter dem Eindruck der dramatischen Entwicklung in Italien stornierte der Kläger Anfang März 2020 und begehrte die Rückzahlung des geleisteten Reisepreises. Dazu führt das AG Frankfurt zutreffend aus, dass auf den Zeitpunkt des Rücktritts abzustellen ist. Es handelt sich bei der Beurteilung der außergewöh...