1. Für die Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO genügt es, dass nach dem substantiierten Vorbringen des Antragstellers eine Verletzung seiner Rechte möglich ist. Für den Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts bedeutet dies stets die Bejahung der Antragsbefugnis, weil zumindest eine Verletzung der allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteile v. 21.8.2003 – 3 C 15.03 – zfs 2004, 139 = juris Rn. 18, u. v. 29.4.2020 – 7 C 29.18 –, juris Rn. 15). Betreffend Verkehrszeichen ist anerkannt, dass es zur Annahme der Klagebefugnis ausreicht, dass ein Verkehrsteilnehmer Adressat eines belastenden Verwaltungsakts in Form eines verkehrsbehördlich angeordneten Ge- oder Verbots geworden ist.
2. Ein Verkehrsteilnehmer kann als eine Verletzung seiner Rechte geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben. Was die behördliche Ermessensausübung betrifft, kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.1993 – 11 C 35.92 –, juris Rn. 14 = zfs 1993, 288, Leits.). Danach kann er keine umfassende objektiv-rechtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung verlangen, sondern nur, dass seine eigenen subjektiven Interessen ohne Rechtsfehler mit gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen abgewogen werden.
3. Verkehrsteilnehmer ist nicht nur derjenige, der sich im Straßenverkehr bewegt, sondern auch der Halter eines am Straßenrand geparkten Fahrzeugs, solange er Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Fahrzeug ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 11.12.1996 – 11 C 15.95, zfs 1997, 196 = juris Rn. 10). Dies gilt auch für eine juristische Person. Da eine solche rechtsfähig ist, kann sie ebenso wie eine natürliche Person von durch Verkehrszeichen getroffenen Anordnungen in ihrem Rechtskreis betroffen sein (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.6.2006 – 3 B 181.05 – juris Rn. 5).
4. Selbst wenn die Anordnung einer Protected Bike Lane unter erleichterten Voraussetzungen zulässig sein dürfte, entbindet dies die Straßenverkehrsbehörde nicht von einer fehlerfreien Ausübung des ihr dabei zustehenden Ermessens (vgl. § 40 VwVfG NRW).
5. Zwar trifft es zu, dass das Recht auf Anliegergebrauch grundsätzlich keinen Anspruch darauf vermittelt, dass Parkmöglichkeiten auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder in angemessener Nähe des Grundstücks eingerichtet werden oder erhalten bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.8.1982 – 4 C 58.80 –, juris Rn. 12, m.w.N.). Daraus folgt aber nicht, dass das nach den tatsächlichen Gegebenheiten in einem Industriegebiet objektiv nachvollziehbare Interesse an Parkmöglichkeiten in die Ermessensentscheidung nicht eingestellt werden müsste.
6. Beruft sich die Behörde als Prämisse ihrer Ermessensentscheidung zumindest auch auf die Verkehrsbelastung und sich daraus vermeintlich ergebende Nutzungskonflikte, darf sie es nicht dabei belassen, diese nur allgemein zu behaupten. Vielmehr muss sie diese Annahme etwa mit dem Ergebnis von Verkehrszählungen, Verkehrsprognosen oder sonstigen belastbaren Erkenntnissen unterlegen. Anderenfalls fehlt es an einer plausiblen Grundlage für die Abwägung mit den widerstreitenden Nutzungsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer, deren rechtlich geschützte Interessen die verkehrsrechtliche Anordnung beeinträchtigt.
7. Die Regelungen der StVO verdrängen zwar als bundesrechtliche Spezialvorschriften die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen. Sie verbieten es der Straßenverkehrsbehörde indessen nicht, eine verkehrsregelnde Allgemeinverfügung, die durch Aufstellung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen an die Verkehrsteilnehmer bekanntgegeben werden soll, bestimmten betroffenen Straßenanliegern vorab nach § 41 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW individuell bekanntzugeben (vgl. OVG NRW, Urt. v. 12.1.1996 – 25 A 2475/93 –, juris Rn. 14; offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 11.12.1996 – 11 C 15.95, zfs 1997, 196 = juris Rn. 9).
8. Nach § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO kann das Gericht, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OVG NRW, Beschl. v. 29.9.2021 – 8 B 188/21