Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid liegt allein in der Hand des Betroffenen. Erst durch seinen Einspruch kann das Verfahren überhaupt eine Hauptverhandlung erreichen.[15] Das unterscheidet das Bußgeldverfahren ganz grundlegend vom normalen Strafprozess, bei dem der Angeklagte es nicht in der Hand hat, ob eine Hauptverhandlung durchgeführt wird.

Der Öffentlichkeitsgrundsatz kommt auch in den Fällen nicht zum Tragen, in denen eine Hauptverhandlung nicht geboten[16] erscheint und deshalb gemäß § 72 OWiG zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Betroffenen einvernehmlich durch Beschluss entschieden wird. Das hat zur Folge, dass auch keine öffentliche Urteilsverkündung gem. § 173 GVG erfolgt und sowohl der Verfahrensgang als auch das Ergebnis des Prozesses der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

Der Einspruch, der grundsätzlich zu einer Hauptverhandlung führt, als auch die Einspruchsrücknahme, die das Verfahren beendet, liegen sowohl beim Strafbefehl als auch beim Bußgeldbescheid im Handlungsbereich des Betroffenen. Die Rücknahme des Einspruchs bedarf keiner Einwilligung des Gerichts oder der Staatanwaltschaft und ist auch unmittelbar vor und zu Beginn des Termins möglich,[17] wenn auch zu dem Preis, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird.[18] Die Öffentlichkeit erfährt dann noch nicht mal den Beschuldigungsvorwurf.

Umgekehrt muss das Gericht bei einem nicht erschienenen Beschuldigten, der nicht von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden ist, den Einspruch gem. § 74 Abs. 2 OWiG ("ohne Verhandlung") verwerfen, also bevor der Bußgeldbescheid verlesen wird. Bei einem Strafverfahren wird dagegen bei einem nicht erschienenen und nicht kurzfristig vorführbaren Angeklagten zumindest ein neuer Termin anberaumt und die Öffentlichkeit erhält damit eine neue Chance am Termin teilzunehmen.

Im Vergleich zur Einspruchsrücknahme und zur Verwerfung des Einspruchs wegen Nichterscheinens führt ein einvernehmlich vorgezogener Hauptverhandlungstermin zu einem geringeren Informationsdefizit einer abstrakten Öffentlichkeit, auch wenn die Vorziehung dem einzelnen potentiellen Zuhörer nicht in seine Zeitplanung passt und er von der Vorziehung überrascht werden könnte. Denn die Teilnahme einer abstrakten Öffentlichkeit an anderen Verhandlungen bleibt weiter möglich. Es gibt deshalb keinen Grund das Informationsinteresse einer abstrakten Öffentlichkeit bei der Vorziehung von Hauptverhandlungen stärker zu gewichten als bei Einspruchsrücknahme und Verwerfung.

[15] Gleiches gilt für den Strafbefehl (§ 407 StPO), dessen prozessuale Vorschriften für gerichtliche OWi-Verfahren gem. § 71 Abs. 1 OWiG entsprechend gelten. Auch hier ist eine rechtskräftig werdende Entscheidung ohne Hauptverhandlung möglich, soweit das Gericht die Sache für hinreichend aufgeklärt hält (§ 408 Abs. 2 StPO) und kein Einspruch eingelegt wird (§§ 410, 411 StPO).
[16] Geboten ist die Hauptverhandlung, wenn der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, Verdachtsgründe für eine Straftat vorliegen oder in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung, Seitz a.a.O., zu § 72 Rn. 2 und 8 bis 10.
[17] Seitz a.a.O., zu § 67 Rn. 35 ff.
[18] Grundsätzlich gilt das gem. § 411 Abs. 3 StPO auch bei Einsprüchen gegen Strafbefehle, wobei nach Beginn der Hauptverhandlung die Zustimmung der StA erforderlich ist.

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