VVG § 109 § 125; AO § 370; AVB (Managerbedingungen) Ziff. X Nr. 3, Nr. 4
Leitsatz
1. Hat der VR einer D&O-Versicherung, die den Strafrechtsschutz einschließt, Deckung in Kenntnis der Einleitungsverfügung eines Steuerstrafverfahrens zugesagt, kann er sich später nicht auf das Fehlen deines Versicherungsfalls und eine nicht versicherte Tätigkeit berufen.
2. Im Strafrechtsschutz einer D&O-Versicherung ist es dem VR versagt, von dem VN eine Unterrichtung über Umstände zu verlangen, die den Einwand einer wissentlichen Pflichtverletzung begründen könnten.
3. Dem VR steht keine Befugnis zur Beeinflussung der Verfahrensführung der Verteidigung zu. (Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Hamm, Beschl. v. 13.7.2023 – 20 U 64/22
1 Sachverhalt
Der Kl. macht gegen die Bekl. (vorläufige) Leistungen aus einer den Strafrechtsschutz umfassenden A.-Versicherung geltend.
Die K. GmbH (VN), deren Geschäftsführer der Kl. war, unterhielt bei der beklagten Versicherung mit Wirkung ab dem 1.11.2010 einen D&O-Versicherungsvertrag. Der Versicherung liegen die Manager Bedingungen 09/2008 (AVB) sowie die im Versicherungsschein enthaltenen BB "Strafrechtsschutz" zu Grunde.
Im März 2014 leitete das FA für Steuerstrafsachen Z. unter anderem gegen den Kl. ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts, Straftaten gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1, 150 AO als Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB begangen zu haben, ein. Hiervon erfuhr der Kl. Ende Juni 2016 im Zuge der Vollziehung eines Durchsuchungsbeschlusses sowie der vorläufigen Festnahme eines Mitbeschuldigten, dem weiteren Geschäftsführer der VN.
Die vom Kl. für seine Verteidigung mandatierte Kanzlei F. und Kollegen suchte mit Schreiben vom 24.8.2016 bei der Bekl. um Deckungsschutz nach. Hierauf teilte die Bekl. unter dem 25.8.2016:
"Im Rahmen des mit unserem Haus abgeschlossenen A.-Vertrages ersetzt der VR die notwendigen Abwehrkosten in u.a. Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen versicherte Personen, soweit die Einleitung des jeweiligen Verfahrens mit einer bei der versicherten Tätigkeit begangenen Pflichtverletzung begründet wird. Kosten die nicht in Absprache mit dem VR entstehen werden nicht erstattet. Vorbehaltlich neuer Erkenntnisse die den Versicherungsschutz entfallen lassen würden und einer Prüfung Ihrer Honorarvereinbarung, erstatten wir die Kosten der Verteidigung im Steuerstrafverfahren gegen Herrn B. Bitte teilen Sie uns noch mit, wie Sie Herrn B. gegenüber abrechnen. Darüber hinaus halten Sie uns bitte stets informiert und sprechen weitere Schritte vorab mit uns ab."
Die Honorarvereinbarung übersandte die Kanzlei F. und Kollegen unter dem 31.8. Noch am selben Tag teilte die Bekl. mit:
“… in der vorbezeichneten Angelegenheit erklären wir uns mit den übersandten Honorarvereinbarungen vorbehaltlich der jeweiligen Einzelüberprüfungen einverstanden.
Auch die Honorarnote für das [Anm.: nicht den Kl. betreffende] Haftbeschwerdeverfahren werden wir zunächst überprüfen. Grundsätzlich sind die versicherten Personen versicherungsrechtlich verpflichtet uns zu informieren sobald eine Inanspruchnahme vorliegt. Dies ist hier nicht geschehen. Da nur Kosten erstattet werden die in Absprache mit dem VR anfallen, werden wir nunmehr alle bereits angefallenen Kosten prüfen.”
Die StA B erhob 18.12.2019 Anklage zum LG P. Mit Schreiben vom 20.5.2021 rechnete die Kanzlei F. und Kollegen ihr Tätigwerden im Zeitraum vom 14.7.2016 bis zum 6.12.2016 in Höhe von 15.330,18 EUR gegenüber der Bekl. ab. Die Bekl. lehnte den ab.
2 Aus den Gründen: “…
a) Mit seinem Hinweisbeschluss vom 17.4.2023 hat der Senat ausgeführt:
“Dem Kl. steht im Hinblick auf die streitgegenständliche Honorarforderung derzeit ("vorläufig") ein Anspruch auf Deckung zu. Es liegt ein Versicherungsfall vor (a), der geltend gemacht Anspruch ist nicht aufgrund des Vorliegens einer wissentlichen Pflichtverletzung (b) oder sonstigen Obliegenheitsverletzungen ausgeschlossen (c) und auch der Höhe nach nicht zu beanstanden (d). Im Einzelnen gilt insoweit ergänzend und vertiefend zu den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts:
[Vorliegen eines Versicherungsfalls im Strafrechtsschutz]
a) Es liegt ein Versicherungsfall vor.
aa) Die Bekl. kann sich schon deshalb nicht auf das Fehlen eines Versicherungsfalles berufen, weil sie mit der E-Mail vom 25.8.2016 Deckungszusage erteilt hat, aufgrund derer sie zumindest auf die ihr zum damaligen Zeitpunkt bekannten, den Versicherungsfall betreffenden Einwendungen verzichtet hat (vgl. zur Anerkenntniswirkung der Deckungszusage eingehend mit weiteren Nachweisen Senat, Beschl. v. 9.11.2018 – 20 U 86/18,). In der genannten E-Mail heißt es ausdrücklich, dass die Bekl. die Kosten der Verteidigung im Steuerstrafverfahren gegen Herrn B. erstattet. Diese Erklärung war die Antwort auf die vorhergehende Anfrage vom 24.8.2016, mit ausdrücklich um Deckung nachgefragt wurde.
Die beiden in der E-Mail formulierten Vorbehalte, nämlich dass diese Zusage "vorbehaltlich neuer Erkenntnisse, die den Versicherungsschutz entfallen lassen würden" und vorbehaltlich "einer Prüfung [der] Honorarvereinbaru...