Nach der ständigen Rspr. des BGH ist es für eine auswärtige Partei im Regelfall notwendig ist, einen Prozessbevollmächtigten an ihrem Wohnsitz oder Sitz zu bestellen, s. die Grundsatzentscheidung NJW 2003, 898 = BRAGOreport 2003, 13 (Hansens) = AGS 2003, 97 = AnwBl. 2003, 309 = JurBüro 2003, 202. Finden vor dem Prozessgericht Termine statt, hat die auswärtige Partei zwei Möglichkeiten, diese wahrnehmen zu lassen:
- Bestellt sie einen Terminsvertreter, so sind die hierdurch angefallenen Mehrkosten erstattungsfähig, soweit sie die durch die Tätigkeit des Terminsvertreters ersparten erstattungsfähigen Reisekosten des Prozessbevollmächtigten nicht wesentlich – um mehr als 10 % – übersteigen, so BGH a.a.O.
- Fährt der auswärtige Prozessbevollmächtigte hingegen zu diesen Terminen selbst, sind die hierdurch entstehenden Terminsreisekosten in voller Höhe erstattungsfähig.
Der X. ZS des BGH hat jetzt seine in einer früheren Entscheidung geäußerte Auffassung bestätigt, die erstattungsfähigen Reisekosten seien der Höhe nach nicht auf diejenigen Kosten beschränkt sind, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären, so BGH NJW-RR 2005, 1662 = RVGreport 2005, 476 (Hansens) = AnwBl. 2005, 792 = JurBüro 2006, 203 mit Anm. Enders. Im entschiedenen Fall hat die Terminswahrnehmung durch den auswärtigen Prozessbevollmächtigten mehr als 2,4-mal höhere Kosten ausgelöst als bei Vertretung durch einen Terminsvertreter angefallen wären. In der Entscheidung des Senats aus dem Jahr 2005 betrugen die erstattungsfähigen Terminsreisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten sogar das 7fache der Mehrkosten für einen Terminsvertreter, wenn auch auf niedrigem Niveau.
Die Rspr. des BGH führt dazu, dass sich das Prozesskostenrisiko bei Beteiligung einer oder gar mehrerer auswärtiger Parteien am Rechtsstreit nicht mehr kalkulieren lässt. Der Gegner der auswärtigen Partei kann nicht vorhersehen, ob die auswärtige Partei die Gerichtstermine durch ihren auswärtigen Prozessbevollmächtigten wahrnehmen lässt oder ob sie einen Terminsvertreter bestellt. Ebenso wenig kann abgeschätzt werden, wie viele Termine vor dem Gericht stattfinden. Selbst bei höheren Streitwerten können die Mehrkosten für Terminsreisen des auswärtigen Prozessbevollmächtigten den Streitwert erreichen oder sogar übersteigen, wenn mehrere Termine stattfinden und die Entfernung zwischen Kanzleisitz und Prozessort größer ist.
Diese erstattungsrechtliche Ausgangssituation erfordert von den beteiligten Rechtsanwälten eingehende Belehrungen ihrer Mandanten. Der Prozessbevollmächtigte der auswärtigen Partei hat darauf hinzuweisen, dass in erster Linie sein Mandant die Fahrtkosten zu zahlen hat. Selbst im Fall des Prozesserfolgs steht nicht fest, ob die erstattungspflichtige Gegenpartei zahlungsfähig ist.
Der Rechtsanwalt des Gegners der auswärtigen Partei kann seinen Mandanten praktisch nur darüber belehren, dass das Prozesskostenrisiko nicht abgeschätzt werden kann. Zu Beginn des Rechtsstreits ist nicht abzusehen, ob der gegnerische Prozessbevollmächtigte zu den Gerichtsterminen anreist und wie viele Termine stattfinden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der auswärtige Prozessbevollmächtigte grundsätzlich frei entscheiden kann, welches Verkehrsmittel er für die Terminsreise benutzt; er kann sich also auch für das Flugzeug entscheiden (s. BGH NJW 2007, 2047 = RVGreport 2007, 308 (Hansens)), wobei der Anwalt auf Sparflüge nicht verwiesen werden kann. Besteht keine Rechtsschutzversicherung, kann der Rat des Rechtsanwalts sogar angebracht sein, eine auch nur zweifelhafte Forderung des Gegners zu erfüllen bzw. – umgekehrt – auf sie zu verzichten.
Heinz Hansens