Prof. Dr. Roland Rixecker
VVG § 81 Abs. 2
1. Grob fahrlässig handelt, wer die begrenzte Höhe der Einfahrt in ein Parkhaus missachtet und so einen Kraftfahrzeugschaden verursacht.
2. In einem solchen Fall ist eine hälftige Kürzung der Entschädigung angemessen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Konstanz, Urt. v. 26.11.2009 – 3 O 119/09
Die Klägerin ist Vermieterin, der Beklagte zu 1) Mieter, die Beklagte zu 2), seine Tochter, Fahrerin eines M-Lasters. Für Vollkaskoschutz zahlte der Beklagte zu 1) ein zusätzliches Entgelt. In den Mietbedingungen war bestimmt:
“10. Haftung des Mieters
a. Wird eine Haftungsbefreiung gegen Zahlung eines zusätzlichen Entgelts vereinbart, stellt X den Mieter nach den Grundsätzen einer Vollkaskoversicherung … frei. …
c. … Ferner haftet der Mieter voll bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verursachung des Schadens … ”.
Bei Einfahrt in das Parkhaus eines I-Marktes übersah die Beklagte zu 2) die angezeigte Fahrzeughöhe und blieb mit dem Laster stecken …
Aus den Gründen:
“… Die Beklagten haften als Gesamtschuldner auf Erstattung der Hälfte des noch offenen Schadens.
1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten Ziff. 1 ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB in Höhe von weiteren 2.733,86 EUR zu.
a) Auf Grund des Mietvertrages war der Beklagte zu 1) verpflichtet, eine Beschädigung des Mietfahrzeugs der Klägerin zu vermeiden. Hiergegen hat die Beklagte zu 2) als seine Erfüllungsgehilfin schuldhaft verstoßen, was sich der Beklagte zu 1) gem. § 278 BGB, Ziff. 5 der AVB zurechnen lassen muss. Der der Klägerin entstandene Schaden beläuft sich unstreitig auf 6.217,71 EUR.
b) Hiervon musste der Beklagte zu 1) unstreitig 750 EUR Selbstbeteiligung bezahlen, was er vorgerichtlich bereits getan hat. Der verbleibende Schaden von 5.467,71 EUR ist vom Beklagten zu 1) hälftig zu erstatten. Die Beklagte zu 2) hat beim Versuch mit dem Fahrzeug in das Parkhaus einzufahren grob fahrlässig gehandelt, was sich der Beklagten zu 1) zurechnen lassen muss (aa). Da Ziffer 10 lit. c) AVB nicht zu einer vollen Haftung des Beklagten zu 1) führt (bb), ist der verbleibende Schaden gem. Ziffer 10 lit. b) der AVB i.V.m. § 81 VVG im vorliegenden Fall zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) hälftig zu teilen (cc).
aa) Die Beklagte zu 2) handelte grob fahrlässig, als sie versuchte, mit dem Mietfahrzeug in die ersichtlich zu niedrige Einfahrt des oberirdischen Parkhauses einzufahren. Dieses Verschulden muss sich der Beklagte zu 1) gem. § 278 BGB zurechnen lassen.
Grobe Fahrlässigkeit setzt eine besondere schwer wiegende Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus …
Nach diesen Maßstäben liegt im Falle der Beklagten zu 2) grobe Fahrlässigkeit vor:
Die Höhe der Einfahrt in das oberirdische gelegene Parkhaus ist ersichtlich eher niedrig, was einem Fahrer bei der Anfahrt nicht verborgen bleiben kann. Hinzu kommt, dass durch das unstreitig angebrachte Verbotsschild (Zeichen 265) auf die auf 2,40 m begrenzte Durchfahrtshöhe hingewiesen wird.
Auf Grund der glaubwürdigen Angaben des Zeugen W ist das Gericht zudem davon überzeugt, dass auch am Unfalltag in einer Höhe von 2,38 m orangefarbene Ballons angebracht waren, die nochmals deutlich darauf hinweisen, dass die Einfahrtshöhe begrenzt ist. Selbst wenn einzelne Ballons möglicherweise auf Grund nicht völlig auszuschließender vorausgegangener Anstöße anderer Fahrzeuge an diese und einem dadurch bedingten ‘Aufwickeln’ um die Stange höher gehangen haben sollten, hätte dies den Ballons nicht die deutliche optische Signalwirkung genommen, die zumindest zu einer kritischen Prüfung der Einfahrtshöhe Anlass gab. Diese optische Signalwirkung wird auch nicht dadurch gemindert, dass die Ballons am rechten Fahrbahnrand nur einen vergleichsweise geringen Abstand zur Parkhauswand aufwiesen, der sich – wegen der Krümmung des Gebäudes – erst nach links hin vergrößerte. Darauf, ob die Beklagte mit dem Fahrzeug auch noch gegen die Ballons gestoßen und dadurch ein vernehmliches Geräusch entstanden ist, kommt es angesichts der Nähe der Ballons zur Einfahrt nicht entscheidend an.
Hinzu kommt noch, dass die Beklagten zu 2) auf Grund der erhöhten Sitzposition im Mietfahrzeug, die sich von der in einem üblichen Pkw deutlich unterschied, zusätzlich dafür hat sensibilisiert sein müssen, dass sie ein Fahrzeug steuerte, das eine größere als die übliche Höhe aufweist.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt nicht nur objektiv, sondern auch in subjektiver Hinsicht ein in besonders hohem Maße vorwerfbares Verhalten der Beklagten zu 2) vor. Dem steht nicht entgegen, dass die Zufahrt zur Einfahrt der Tiefgarage erst – nach einer scharfen 90° Rechtskurve und einem Hinweisschild auf das Einrichtungsgeschäft – relativ spät ersichtlich ist und zum fraglichen Zeitpunkt (Samstagnachmittag), wie die Beklagten glaubwürdig angaben, ‘viel los’ war.
Die Schuld der Beklagten zu 2) ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Augenblicksversagens nicht, schon gar nicht aber entscheidend, gemindert. Die Schuld wird zwar dann gemindert, wenn eine...