" … I. Der Rücktritt der Bekl. ist unwirksam.
Nach § 19 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer die ihm bekannten erheblichen Gefahrumstände, nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen …
[Gefahrerheblichkeit von Umständen]
1. Zwar scheitert die Wirksamkeit des Rücktritts der Bekl. nicht an einem Fehlen gefahrerheblicher Umstände. Denn das Vorhandensein von Nachbarbetrieben ist ein erheblicher Gefahrumstand nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG. Für die Übernahme der Gefahr ist jeder Umstand erheblich, der geeignet ist, auf den Entschluss des Versicherers, einen Vertrag überhaupt oder zu den vereinbarten Bedingungen abzuschließen, Einfluss auszuüben. Der Streit um die Maßgeblichkeit eines objektiven … oder eines subjektiven Maßstabs bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn die Gefahrerheblichkeit liegt hier auf der Hand. Ein Versicherer hat ein Interesse daran zu erfahren, ob es Nachbarbetriebe gibt, die eine Gefahr für das zu versichernde Objekt bedeuten könnten. Erfahrungsgemäß ist davon auszugehen, dass die Nachbarschaft zu einem Chemiebetrieb für die Risikobewertung im Rahmen einer Industriefeuerversicherung von Bedeutung ist.
[Fragen des Versicherungsmaklers]
2. Der Rücktritt ist jedoch deshalb unwirksam, weil die Bekl. nicht nach Gefahrumständen in Textform gefragt hat. Da die Bekl. der Kl. keine eigenen Fragen gestellt hat, läge ein Stellen von Fragen i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG nur dann vor, wenn die Fragen in dem von S erstellten Fragebogen so hätten behandelt werden können, als seien sie von der Bekl. gestellt worden. Dies ist indes nicht der Fall. Hinsichtlich der Nachbarbetriebe enthält Ziff. 6 des Besichtigungsberichtes vom 18.11.2008 die Frage: “Betriebe/Läger in der Nachbarschaft?’; diese Frage ist durch Ankreuzen des entsprechenden Kästchens mit “nein’ beantwortet worden, was angesichts des vorhandenen Nachbarbetriebes der Fa. W falsch war.
a) Diese Frage der S, die diese selbst beantwortet hat, kann jedoch nicht als Frage der Bekl. an die Kl. gelten, sodass eine Frage des Versicherers im Sinne des § 19 Abs. 1 S. 1 VVG zu verneinen ist …
Der Sinn des Gesetzes geht dahin, dem Versicherungsnehmer das Risiko einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Gefahrrelevanz abzunehmen … Unter diesem Gesichtspunkt kann es nicht von vornherein schädlich sein, dass der Versicherer einen nicht von ihm selbst erstellten Fragebogen verwendet. Es führt nicht allein deshalb zur Unwirksamkeit eines auf § 19 VVG gestützten Rücktritts, dass der Versicherer das Stellen von Fragen einem Vertreter überlassen hat. Ebenso wenig liegt allein deshalb eine Unwirksamkeit des Rücktritts vor, weil der Versicherungsnehmer einem Vertreter die Beantwortung der Fragen überlassen hat.
Allerdings scheidet unter den hier gegebenen Umständen aus, die Fragen der S in ihrem Besichtigungsbericht als seitens der Bekl. gestellte Fragen zu bewerten.
Die S war mit der Kl. durch einen Maklervertrag verbunden, der neben der Vermittlung und Verwaltung von Versicherungsverträgen die Wahrnehmung der Interessen der Kl. gegenüber den Versicherern zum Inhalt hatte. Die S hat im Dezember 2008 die gesamten Vertragsverhandlungen für die Kl. geführt; diese ist überhaupt nicht in Erscheinung getreten. Den Versicherungsschein hat die S an Stelle der Kl. unterschrieben und damit als ihr rechtsgeschäftlicher Vertreter gehandelt. Damit stand die S im Lager der Kl. und war in ihrem Interesse tätig.
Stellte man die Fragen eines solchen Interessenwalters und rechtsgeschäftlichen Vertreters des Versicherungsnehmers den Fragen des Versicherers gleich, bedeutete dies letztlich die Wiedereinführung der spontanen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, die gerade nach der Neufassung des VVG keine Bedeutung mehr haben soll. Denn das mit der spontanen Offenbarungspflicht verbundene, als unbefriedigend empfundene Risiko der Fehleinschätzung sollte mit der gesetzlichen Neuregelung dem Versicherungsnehmer abgenommen werden. Es führt zu einer dem Zweck des Gesetzes widersprechenden Rückkehr der spontanen Offenbarungspflicht, wenn der Versicherungsnehmer oder sein Vertreter zur Anzeige gefahrerheblicher Umstände verpflichtet wäre, ohne dass ihm Fragen herrührend von außerhalb seines eigenen Lagers gestellt worden wären.
Anders könnte es dann sein, wenn dem Versicherungsnehmer oder seinem Interessenwalter spätestens im Zeitpunkt der Beantwortung der Fragen zugleich eine Erklärung des Versicherers vorläge, dass die Fragen als seine gelten sollen. Dies bedeutet keine bloße Förmelei, sondern ist erforderlich, um dem generellen Anliegen des Gesetzes entsprechend das Risiko einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit auf den Versicherer zu verlagern … Hier geht der Inhalt des von der S verwendeten Fragebogens allein auf diese zurück und beruht nicht auf einer Initiative oder Mitwirkung der Bekl.; auch ein Zuei...