[9] "III. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Anspruchs der Bf. auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 S. 1 BVerfGG vorliegen.
[10] 1. Das angegriffene Urteil verletzt Art. 103 Abs. 1 GG.
[11] a) Nach Art. 103 Abs. 1 GG haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlass einer Entscheidung zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Diesem Recht entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Insb. gebietet das Recht auf rechtliches Gehör i.V.m. den Grundsätzen der ZPO die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 35 f. = NJW 1979, 413; BVerfGE 60, 247, 249; BVerfGE 69, 141, 143 f. = NJW 1986, 833; BVerfGE 105, 279, 311 = NJW 2002, 2626, st. Rspr.).
[12] Art. 103 Abs. 1 GG ist – auch insofern – eine Folgerung aus dem Rechtsstaatsgedanken für das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens. Die normative Ausgestaltung des Verfahrensrechts sowie seine Auslegung und Anwendung im konkreten Fall müssen daher ein Ausmaß rechtlichen Gehörs eröffnen, das sachangemessen ist, um dem in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes gerecht zu werden und den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfGE 60, 305, 310 = NJW 1982, 1636; BVerfGE 74, 220, 224 = NJW 1987, 1191; BVerfGE 81, 123, 129 = NJW 1990, 1104). Hierzu zählt auch die Möglichkeit der beweisbelasteten Partei, für die von ihr behauptete Tatsache Beweis durch Einvernahme eines Zeugen zu erbringen.
[13] b) Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Entscheidung nicht. Indem das LG auf die beantragte nochmalige Vernehmung des Zeugen verzichtet hat, hat es das entsprechende Beweisangebot zumindest teilweise nicht berücksichtigt, ohne dass dies hinreichenden Anhalt im Prozessrecht findet (vgl. auch BVerfG, Beschl. d. 3. Kammer des Ersten Senats, NJW 2005, 1487).
[14] aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO muss das BG seiner Entscheidung grds. die vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen zu Grunde legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Im Fall des Zeugenbeweises setzt diese nach der Rspr. des BGH zumindest in aller Regel eine erneute Vernehmung voraus. Insb. muss das BG einen bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen nochmals gem. § 398 ZPO vernehmen, wenn es dessen Aussage “anders würdigen’ bzw. “anders verstehen oder werten’ will als die Vorinstanz. Eine erneute Vernehmung kann “allenfalls dann’ unterbleiben, wenn das BG seine abweichende Würdigung auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. m.w.N. BGH NJW 2007, 372, 374; NJW-RR 2009, 1291; Musielak/Ball, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 529 Rn 14 f.). Auch im Hinblick auf objektive Umstände, die bei der Beweiswürdigung eine Rolle spielen können und von der ersten Instanz nicht beachtet worden sind, darf das BG nicht ohne erneute Vernehmung des Zeugen und abweichend von der Vorinstanz zu dem Ergebnis gelangen, dass der Zeuge in einem prozessentscheidenden Punkt mangels Urteilsfähigkeit, Erinnerungsvermögens oder Wahrheitsliebe objektiv die Unwahrheit gesagt hat (vgl. BGH NJW-RR 1993, 510 = NZV 1993, 266; für die generelle Notwendigkeit einer erneuten Beweisaufnahme Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, Bd. V/1, 21. Aufl. 1994, § 526 Rn 6; MüKo/Rimmelspacher, ZPO, Bd. II, 3. Aufl. 2007, § 538 Rn 7).
[15] bb) Damit steht der Verzicht auf eine erneute Vernehmung nicht in Einklang.
[16] (1) Soweit sich das LG auf den abweichenden Blickwinkel “auf Grund des räumlich nach links versetzten Fahrens’ bezieht, also darauf, dass der Zeuge nicht dieselbe Fahrspur befahren habe wie der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs und von diesem kurz vor dem Unfall überholt worden sei, kann nur auf Grund der persönlichen Vernehmung ein vollständiges Bild gewonnen werden. Abgesehen davon, dass ein übereinstimmender Blickwinkel auch von zwei verschiedenen Fahrspuren aus nicht von vornherein ausgeschlossen ist, bleibt unklar, wieso dieser Umstand so wesentlich ist, dass er den Zeugen an einer zuverlässigen Beurteilung der Situation gehindert haben könnte. Das LG führt hierzu nichts weiter aus. Soweit das AG zum gegenteiligen Ergebnis gelangt und davon ausgegan...