Rechtlich ist der Unfall wie folgt zu werten:
Da sich der Unfall unstreitig im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Versuch des Bekl. ereignet hat, nach links in eine Grundstückseinfahrt einzubiegen, spricht gegen den Bekl. der Anschein, den Unfall dadurch verschuldet zu haben, dass er die besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO nicht beachtet hat.
Danach hatte der Bekl. nicht nur rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen (§ 9 Abs. 1 S. 1 StVO), sondern er musste sich rechtzeitig möglichst weit nach links zur Straßenmitte einordnen (§ 9 Abs. 1 S. 2 StVO) und vor dem Einordnen einmal und vor dem Abbiegen noch einmal auf den nachfolgenden Verkehr achten (§ 9 Abs. 1 S. 4 StVO – doppelte Rückschaupflicht). Darüber hinaus hatte er sich so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war (§ 9 Abs. 5 StVO). Im Rahmen des § 9 Abs. 1, 5 StVO spricht der Beweis des ersten Anscheins gegen den nach links in ein Grundstück abbiegenden Kraftfahrer.
Kommt es zwischen ihm und einem überholenden Fahrzeug zum Unfall, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach §§ 9 Abs. 1 StVO und insbesondere nach § 9 Abs. 5 StVO obliegende gesteigerte Sorgfaltspflicht verletzt hat (KG VerkMitt 1998, 34 Nr. 43; Urt. v. 13.1.1997 – 12 U 7147/95). Wegen dieser besonderen Sorgfaltspflichten haftet nach ständiger Rechtsprechung derjenige, der verkehrswidrig nach links abbiegt und dabei mit einem ihn ordnungsgemäß überholenden Kraftfahrzeug zusammenstößt, für den entstandenen Schaden grundsätzlich allein, ohne dass den Überholenden die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs angerechnet wird (KG NJW-RR 1987, 1251; Urt. v. 31.10.1994 – 22 U 4618/93).
Der Bekl. kann den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht erschüttern oder ausräumen. Zwar hat er außergerichtlich behauptet, rechtzeitig den linken Fahrtrichtungsanzeiger eingeschaltet zu haben, dies ist jedoch falsch und erscheint mangels objektiver Zeugen unaufklärbar zu bleiben.
Ein die Mithaftung des Kl. begründendes Mitverschulden kann nicht festgestellt werden. Da der Bekl. nicht beweisen kann, dass er rechtzeitig vor dem beabsichtigten Linksabbiegen den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat, kann ein Mitverschulden des Kl. an dem Unfall nicht damit begründet werden, dieser habe entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO trotz Bestehens einer unklaren Verkehrslage versucht, eine Kolonne zu überholen.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Überholen einer Fahrzeugkolonne auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 StVO nicht generell verboten ist (KG VerkMitt 1995, 38 = NZV1995, 359).
Eine unklare Verkehrslage, die nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ein Überholen verbietet, liegt vor, wenn nach allen Umständen mit ungefährdetem Überholen nicht gerechnet werden darf (KG VerkMitt 1990, 91; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 5 StVO Rn 34). Sie ist auch dann gegeben, wenn sich nicht sicher beurteilen lässt, was Vorausfahrende sogleich tun werden (KG NJW-RR 1987, 1251). Dies ist dann der Fall, wenn bei einem vorausfahrenden oder stehenden Fahrzeug der linke Fahrtrichtungsanzeiger betätigt wird, dies der nachfolgende Verkehrsteilnehmer erkennen konnte (KG NZV 1993, 272) und dem überholenden Fahrzeugführer noch ein angemessenes Reagieren – ohne Gefahrenbremsung – möglich war (KG VerkMitt 1990, 91; 1995, 38).
Dagegen liegt eine unklare Verkehrslage nicht schon dann vor, wenn das vorausfahrende Fahrzeug verlangsamt, selbst wenn es sich bereits etwas zur Fahrbahnmitte eingeordnet haben sollte (KG NJW-RR 1987, 1251 ff.; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 5 Rn 35).
Die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs hat hinter den Verstoß des Bekl. gegen eine die gesteigerte Sorgfaltspflicht statuierende Rechtsnorm zurückzutreten, soweit die Kollision für den Kl. nicht ohnehin unvermeidbar war.