Nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
a) außergewöhnliche Umstände
Es ist nach wie vor umstritten, in welchen Fällen überhaupt "außergewöhnliche Umstände" im Sinne der Verordnung vorliegen. Dazu existiert inzwischen eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung.
Mit zwei Urteilen vom 21.8.2012 entschied der BGH, dass außergewöhnliche Umstände anzunehmen sein können, wenn der Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens infolge eines Streiks ganz oder zu wesentlichen Teilen nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb des Unternehmens durch eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten (z.B. beim Flughafenbetreiber) oder dadurch beeinträchtigt wird, dass eigene Mitarbeiter des Luftverkehrsunternehmens in den Ausstand treten.
Der EuGH hat in der bereits genannten Entscheidung in der Rechtssache C-22/11 vom 4.10.2012 ebenfalls klargestellt, dass auch ein Streik grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand darstellen kann. Jedoch betont der EuGH dann, dass sich die außergewöhnlichen Umstände nur auf ein einzelnes Flugzeug an einem bestimmten Tag beziehen (was nicht der Fall ist, wenn die Beförderung verweigert wird, weil Flüge infolge außergewöhnlicher Umstände, die einen vorhergehenden Flug betrafen, umorganisiert werden). Damit dürfte es den Luftfahrtunternehmen zukünftig nur noch schwer möglich sein, sich in Fällen sog. Umlaufverspätungen (oder Umlaufannullierung) mit außergewöhnlichen Umständen zu entlasten. Immerhin weist der EuGH darauf hin, dass die Luftfahrtunternehmen nicht daran gehindert sind, bei anderen Personen, die die Nichtbeförderung (bzw. im konkreten Fall den Streik) verursacht haben, Regress zu nehmen. Dadurch kann die finanzielle Belastung der Luftfahrtunternehmen in solchen Fällen ggf. völlig kompensiert oder zumindest gemildert werden.
b) Zumutbare Maßnahmen
Auch wenn in der ersten Prüfungsstufe das Vorliegen der außergewöhnlichen Umstände bejaht wird, ist zur Entlastung des Luftfahrtunternehmens noch eine zweite Prüfungsstufe zu bewältigen: Das Luftfahrtunternehmen muss nachweisen, dass sich die Annullierung auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.
In dem ersten o.g. Pilotenstreik-Urteil konnte der BGH nicht abschließend über die Ausgleichsansprüche entscheiden, da noch nicht vollständig aufgeklärt war, welche Maßnahmen das Luftverkehrsunternehmen ergriffen hatte. In dem zweiten (am selben Tag entschiedenen) Verfahren wurde die Revision der Reisenden jedoch zurückgewiesen, weil das Luftfahrtunternehmen mit einem Sonderflugplan geeignete und zumutbare Maßnahmen ergriffen hatte, um Annullierungen infolge des Streiks auf das unvermeidbare Maß zu beschränken.
Umstritten ist, ob bzw. in welchem Umfang es einem Luftfahrtunternehmen zuzumuten ist, Ersatzmaschinen bereitzuhalten. Wenn ein Luftfahrtunternehmen überhaupt keine Ersatzmaschinen vorhält, so ist die Entscheidung, keine Ersatzmaschine bereitzuhalten, zwar aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nachvollziehbar, jedoch führt dies dann nicht zu einer Entlastung des Luftfahrtunternehmens. Die Annullierung bzw. Verspätung beruht dann nämlich im Wesentlichen auf einer Organisationsentscheidung des Luftfahrtunternehmens.