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[3] Die Berufung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
[4] 1. Der rechtliche Ausgangspunkt des AG, dass sowohl die Bekl. als auch der Kl. grds. für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte, ist zutreffend und wird von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.
[5] 2. Das Erstgericht hat in die danach gebotene Haftungsabwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile auf Seiten der Erstbeklagten keinen Verkehrsverstoß eingestellt, weil nicht nachgewiesen sei, dass diese entgegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO ohne zwingenden Grund stark gebremst hatte. Hiergegen wendet sich die Berufung jedenfalls im Ergebnis mit Recht. Aufgrund der Anhörung beider Parteien in der Berufungsinstanz und mit Blick auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Ing. … ist die Kammer davon überzeugt, dass die Erstbeklagte auf freier Strecke ihr Fahrzeug (nahezu) bis zum Stillstand abgebremst hat, ohne dass hierfür ein erkennbarer Grund vorhanden war. Ob damit ein starkes Abbremsen verbunden war, wie dies § 4 Abs. 1 S. 2 StVO voraussetzt, kann letztlich dahinstehen. Denn in jedem Fall hat die Erstbeklagte damit den nachfolgenden Verkehr einer unnötigen Gefahr ausgesetzt und damit gegen ihre Verpflichtung aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen.
[6] a) Die Erstbeklagte hat in ihrer Anhörung vor der Kammer, ebenso wie bereits zuvor vor dem AG, erklärt, von 70 auf vorgeschriebene 50 km/h heruntergebremst zu haben. Zudem hat sie ausgeführt, dass sie jedenfalls keine bewusste Vollbremsung vorgenommen und allenfalls etwas ruckartig abgebremst habe, wobei sie durch den Knall des Unfalls so erschrocken gewesen sei, dass sie nachträglich eine Vollbremsung durchgeführt habe. Auf Nachfrage wollte sie jedoch nicht ausschließen, dass ihr Fahrzeug bereits im Zeitpunkt der Kollision gestanden hatte.
[7] b) Ausweislich der polizeilichen Unfallaufnahme in den Ermittlungsakten hat die Erstbeklagte am Unfallort erklärt, dass plötzlich die Räder blockiert hätten, weshalb sie zum Stehen gekommen sei. Deshalb ist anschließend der Schlüssel sowie das Steuergerät des Fahrzeugs ausgelesen worden, um einem etwaigen technischen Defekt nachzugehen. Das Auslesen hat indes keine Auffälligkeiten ergeben, weshalb der ermittelnde Polizeibeamte, der Zeuge … , von einem Fahrfehler ausgeht. Dies hat er in seiner Vernehmung auch bestätigt.
[8] c) Wie der Polizeibeamte ferner bestätigte, befindet sich das Geschwindigkeitsbegrenzungsschild in einer Entfernung von rd. 80 m vom Unfallort. Ein Abbremsen auf 50 km/h war daher hier noch nicht geboten.
[9] d) Der Sachverständige Dipl. Ing. … kommt in seiner Begutachtung zu dem Ergebnis, dass das Beklagtenfahrzeug ausweislich des Splitterfeldes und der Wasserspur unmittelbar hinter dem Kollisionszeitpunkt zum Stillstand gekommen ist. Dies ist nur möglich, wenn es zuvor entweder stand oder sich in einer ganz langsamen Rollbewegung befand.
[10] e) Vor diesem Hintergrund ist die Kammer davon überzeugt, dass das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision bis zum Stillstand oder zumindest bis auf ein geringes Rollen abgebremst worden ist. Dass dies im Rahmen einer sog. Vollbremsung erfolgte, steht angesichts der Ausführungen des insgesamt glaubwürdigen Kl. in seiner erst- und zweitinstanzlichen Anhörung, sowie angesichts des verhältnismäßig geringen Zeitraums, der der Erstbeklagten nach Erkennen des 50er Schildes bis zum Kollisionsort verblieb, fest. Selbst wenn dies aber offen bleiben würde, wertet die Kammer bereits das bloße Abbremsen bis zum Stillstand auf freier Strecke außerorts, ohne dass auch nur ein im Ansatz erkennbarer Grund hierfür vorliegt, als ein Fahrmanöver, das den nachfolgenden Verkehr, der damit nicht rechnen muss, besonders gefährdet. Dieser Verstoß gegen das Gefährdungsverbot des § 1 Abs. 2 StVO hat sich im Unfall auch niedergeschlagen, als der Kl., wie er nachvollziehbar darlegte, von dem Stillstand völlig überrascht wurde und deshalb auch nicht rechtzeitig das Bremsmanöver eingeleitet hatte. Dass für das Abbremsen des Beklagtenfahrzeuges ein technisches Versagen verantwortlich ist, wie dies die Erstbeklagte offenbar am Unfallort angenommen hatte, ist angesichts fehlender Anhaltspunkte für ein technisches Versagen fernliegend. Im Übrigen kann die Frage dahinstehen. Wer sein Fahrzeug ohne erkennbaren Grund abbremst und sich zur Entschuldigung auf technische Gründe beruft, hat diese nach allgemeinen Beweislastregeln darzulegen und zu beweisen. Hierfür hat die Beklagtenseite weder vorgetragen noch Beweis angeboten.
[11] 3. Obwohl die Erstbeklagte ohne zwingenden Grund stark gebremst hat, ist ein dem Kl. zuzurechnender Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 StVO ...