ZBSV 08 § 2 Nr. 1, Nr. 2; IfSG § 6 § 7
Leitsatz
1. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 1 ZBSV 08 besteht Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem Katalog in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, der abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt.
2. Die Regelung in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 ist weder intransparent (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) noch benachteiligt sie den VN unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB).
BGH, Urt. v. 26.1.2022 – IV ZR 144/21
Sachverhalt
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer vom Kl. bei der Bekl. im Rahmen einer Sach-Inhaltsversicherung gehaltenen Betriebsschließungsversicherung wegen einer im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgten Schließung der vom Kl. in S betriebenen Gaststätte. Dem Versicherungsvertrag liegen ZBSV 08 zugrunde. Die ZBSV 08 lauten auszugsweise:
Zitat
§ 2 Versicherte Gefahren
1. Versicherungsumfang
Der VR leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt …
2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Zusatzbedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten: …
b) Krankheitserreger: …
§ 4 Ausschlüsse
3. Krankheiten und Krankheitserreger
Der VR haftet nicht bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf …
In § 2 Nr. 2 Buchst. a und b ZBSV 08 werden weder die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) aufgeführt.
Die S Landesregierung ordnete mit der am 18.3.2020 in Kraft getretenen Landesverordnung … unter anderem die Schließung von sämtlichen Gaststätten an, wobei Leistungen im Rahmen eines Außerhausverkaufs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig waren. Der Kl. schloss daraufhin seine Gaststätte und bot einen Lieferdienst an.
Mit der Klage begehrt der Kl. die Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet sei, ihm aufgrund der Schließung seines Restaurants eine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung zu zahlen. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen: …
Zitat
[8] II. Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung zu. Rechtsfehlerfrei hat das BG angenommen, dass das Coronavirus nicht von § 2 Nr. 2 ZBSV 08 erfasst wird …
[Keine ausschließliche Absicherung intrinsicher Gefahren]
[10] 2. Entgegen der Auffassung des BG setzt der Eintritt des Versicherungsfalles allerdings nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sog. intrinsischen, Infektionsgefahr voraus (so auch OLG Celle, BeckRS 2021, 36650; OLG Dresden, BeckRS 2021, 23344 … ; anders OLG Hamburg VersR 2021, 1285). Dies ergibt die Auslegung von § 2 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 …
[11] Zunächst ergibt sich aus dem Wortlaut von § 2 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 kein Anhaltspunkt für eine Differenzierung zwischen aus dem Betrieb oder von außerhalb des Betriebes herrührenden Gefahren. Auch der dem VN erkennbare systematische Zusammenhang spricht nicht für ein Erfordernis intrinsischer Gefahren. Ob die in § 2 Nr. 1 Buchst. b – e ZBSV 08 genannten versicherten Gefahren darauf hindeuten, dass es sich bei diesen um solche aus dem Betrieb oder von seinen Mitarbeitern herrührende handeln muss, kann offenbleiben. Daraus muss ein durchschnittlicher VN jedenfalls nicht schließen, dass dies auch für § 2 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 gelten muss, der eine derartige Einschränkung gerade nicht enthält. Der VN kann § 2 Nr. 1 Buchst. a – e ZBSV 08 nicht entnehmen, dass es sich bei Buchstabe a um einen Grundfall und bei den Buchstaben b – e um Unterfälle handelt, die ihrerseits wiederum Rückwirkungen auf die Auslegung von Buchstabe a haben. Vielmehr wird er der Systematik von § 2 Nr. 1 ZBSV 08 entnehmen können, dass es sich jeweils um eigenständige Versicherungsfälle handelt. Auch der Regelung in § 2 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 2 ZBSV 08 mit der Gleichstellung der Betriebsschließung mit Tätigkeitsverboten gegen Mitarbeiter lässt sich für den durchschnittlichen VN nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass es sich um eine intrinsische Gefahr handeln muss. Schließlich bedeutet es für den durchschnit...