[6] I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil unter anderem in DAR 2021, 332 veröffentlicht ist, steht der Klägerin für das durch den Unfalltod ihres Vaters erlittene seelische Leid eine angemessene Entschädigung aus § 10 Abs. 3 StVG zu. Maßstab für die Bemessung der geschuldeten Entschädigung sei die konkrete Beeinträchtigung. Durch den Verlust naher Angehöriger könnten seelische Beeinträchtigungen von besonderer Komplexität verursacht werden. Die Dauer von seelischem Leid sei nicht prognostizierbar. Wie beim Schmerzensgeld seien sowohl die Ausgleichs- als auch die Genugtuungsfunktion zu berücksichtigen. Der in der Kostenschätzung des Gesetzentwurfs genannte Betrag von 10.000 EUR stelle keine "Obergrenze", sondern einen "Anker" bzw. eine "Orientierungshilfe" für die Bemessung dar. Eine Auslegung des Hinterbliebenengeldes als Minus gegenüber dem Anspruch auf Ersatz eines Schockschadens werde der Differenzierung zwischen körperlich/psychischem und seelischem Leid nicht gerecht. Es handele sich um zwei unterschiedliche, in keinem Stufenverhältnis stehende Ansprüche. Während das Schmerzensgeld wegen eines Schockschadens pathologische psychische Schmerzen ausgleichen solle, gehe es beim Hinterbliebenengeld um die Abgeltung von Trauer und Betroffenheit der Seele. Andauernde seelische Schmerzen könnten aber eine gleichwertige oder sogar – je nach Dauer und Intensität – höhere Betroffenheit auslösen. Die Bemessung des Hinterbliebenengeldes müsse sich außerdem in das stimmige Gesamtgefüge der deutschen und europäischen Rechtsprechung zum Schmerzens-/Hinterbliebenengeld einfügen. Das europäische Entschädigungsniveau liege in vergleichbaren Fällen deutlich höher als 10.000 EUR. So würden im Nachbarland Österreich zwischen 10.000 EUR und 25.000 EUR Hinterbliebenengeld gezahlt.
[7] Unter Berücksichtigung dieser generellen Erwägungen sei die der Klägerin zustehende Entschädigung gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 10.000 EUR zu bemessen.
[8] II. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
[9] 1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und von der Revision nicht angegriffen ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Unfalltods ihres Vaters dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung eines Hinterbliebenengeldes aus § 18 Abs. 1 Satz 1, § 10 Abs. 3 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG zusteht. Da der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs den Unfall und den dabei eingetretenen Tod des Vaters der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch einen groben Verstoß gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO verursacht hat, ergibt sich der Anspruch überdies aus § 823 Abs. 1, § 844 Abs. 3 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG. Nach den gleichlautenden Bestimmungen in § 844 Abs. 3 BGB und § 10 Abs. 3 StVG, die mit dem Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vom 17.7.2017 (BT-Drucks. 18/11397, BGBl I 2017, 2421) neu geschaffen worden sind, hat der Ersatzpflichtige dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.
[10] 2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung durch das Berufungsgericht.
[11] a) Zwar ist die Bemessung der Höhe der angemessenen Entschädigung grundsätzlich Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht sich mit allen für die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Ausmaß des durch den Tod zugefügten seelischen Leids bemüht hat. Die Bemessung der Hinterbliebenenentschädigung kann in aller Regel nicht schon deshalb beanstandet werden, weil sie als zu dürftig oder als zu reichlich erscheint; insoweit ist es der Revision verwehrt, ihre Bewertung an die Stelle des Tatrichters zu setzen (vgl. zur Anwendbarkeit des § 287 ZPO: Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld, BT-Drucks. 18/11397 vom 7.3.2017, S. 14; Katzenmeier, JZ 2017, 869, 876; MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl., § 844 Rn 106; zum Schmerzensgeld: Senatsurt. v. 22.3.2022 – VI ZR 16/21, VersR 2022, 819 Rn 7; v. 15.2.2022 – VI ZR 937/20, VersR 2022, 712 Rn 11; jeweils m.w.N.).
[12] b) Die Revision rügt aber zu Recht, dass die Erwägungen des Berufungsgerichts zu den Grundlagen der Bemessung von Rechtsfehlern beeinflusst sind.
[13] aa) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Festsetzung der Hinterbliebenenentschädigung nicht lediglich eine schematische Bemessung vorgenommen werden darf, sondern die konkrete seelisc...