II. Die Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, sie ist mithin zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg.
1. Das Erstgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß § 7, § 17 Abs. 1 und 2 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und jedenfalls für die Beklagtenseite kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Ob der klägerische Vortrag zutrifft, dass der Unfall für die Zeugin … unabwendbar gewesen sei, kann aus den nachfolgenden Erwägungen offenbleiben.
2. Ferner ist die Erstrichterin zutreffend davon ausgegangen, dass im Verhältnis der Fahrzeughalter untereinander die Ersatzverpflichtung davon abhängt, inwieweit der Schaden von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (§ 17 Abs. 1 und 2 StVG).
3. Anders als das Amtsgericht meint, ist zulasten der Beklagtenseite ein Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO in die Abwägung einzustellen. Der stattdessen festgestellte Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO tritt hinter diesen Verstoß zurück.
a) Nach § 10 Satz 1 StVO hat sich ein Verkehrsteilnehmer beim Einfahren auf die Fahrbahn so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 15.5.2018 – VI ZR 231/17, juris, Rn 12; Kammer, Urt. v. 13.11.2020 – 13 S 27/20 –, juris, Rn 9 und v. 11.2.2022 – 13 S 124/21 –). Da ein Parkstreifen ein anderer Straßenteil i.S.d. § 10 StVO ist (OLG Köln, Urt. v. 4.2.1986 – 22 U 159/85, juris, Rn 20) und der Erstbeklagte von dem Parkstreifen auf die für den fließenden Verkehr freigegebene Lücke zwischen zwei Parkstreifen gefahren ist, ist dieser vorliegend auch im Sinne der Norm in die Fahrbahn eingefahren. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Erstbeklagte sodann weiterfahren oder – wie hier vorgetragen – noch einmal außerhalb des Parkstreifens anhalten wollte, um sein Privatfahrzeug auf dem dann frei gewordenen Abschnitt des Parkstreifens abzustellen. Denn in beiden Varianten fährt der Erstbeklagte von dem Parkstreifen auf die Fahrbahn und ordnet sich demnach in den fließenden Verkehr ein.
b) Kommt es zu einem Unfall im engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren in die Straße, spricht bereits ein Anscheinsbeweis für den Verstoß des in die Fahrbahn Einfahrenden gegen § 10 Satz 1 StVO (statt aller: Scholten in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. § 10 StVO Rn 72).
4. Ein Verstoß der Klägerseite gegen § 1 Abs. 2 StVO ist – entgegen der Erstrichterin – nicht ersichtlich. Ein Fehlverhalten der Zeugin … ist jedenfalls nicht nachgewiesen.
a) In tatsächlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare rechtliche und tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Die Beweiswürdigung ist Aufgabe des Tatrichters und kann in der Berufung nicht allein damit angegriffen werden, dass der Berufungsführer seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Erstgerichts setzt. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber erkennbar ausschließen (BGH, st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2005 – VI ZR 270/04, juris, Rn 9).
b) Hier liegen solche konkreten Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Erstgerichts begründen.
Das Amtsgericht hat insbesondere nicht festgestellt, wie lange die Scheinwerfer des Lkw bzw. welche Scheinwerfer des Lkw angeschaltet gewesen waren und inwiefern dies durch die Zeugin … erkennbar gewesen war. Weiterhin fehlen Feststellungen dazu, ob die Zeugin … – sofern man eine Reaktionsaufforderung durch die angeschalteten Scheinwerfer unterstellt – bei entsprechender Reaktion rechtzeitig hätte zum Stillstand kommen können, um den Unfall zu vermeiden.
c) Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich wiederholten Beweisaufnahme ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass am Beklagtenfahrzeug das Abblendlicht eingeschaltet war. Demnach gab es keinen Anhaltspunkt, auf den die Zeugin … hätte reagieren können.
Der Erstbeklagte hat in seiner zweitinstanzlichen Anhörung ausgeführt, dass er nur nach vorne geschaut und nicht damit gerechnet habe, dass von hinten jemand kommen könne, als er ca. 1,50 m bis 2 m aus der Parkbucht in die Fahrbahn hineingerollt sei. Ob er das Abblendlicht eingeschaltet habe, wisse er nicht mehr; das Tagfahrlicht gehe allerdings an, sobald die Zündung betätigt...