VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
Ein vollständiges Umdrehen während der Fahrt mit einem Pkw auf der Autobahn im stockenden Verkehr zu einem auf dem rechten Rücksitz befindlichen achtjährigen Kind, das zu einem leichten Auffahren auf ein vorausfahrendes Motorrad führt, ist als grob fahrlässig anzusehen. Dass ein Kraftfahrer die vor ihm befindliche Fahrspur beobachten muss, um möglicherweise in hohem Maße gefährliche Situationen zu vermeiden, stellt eine einfachste ganz naheliegende Überlegung dar. (Rn 13–15)
OLG Frankfurt, Urt. v. 12.2.2020 – 2 U 43/19
Sachverhalt
Der Bekl. mietete bei der Kl. am 11.9.2016 einen Pkw Marke 1 Typ 1, amtl. Kennzeichen … Im Mietvertrag Anlage K 1) vereinbarten die Parteien eine Haftungsfreistellung zugunsten des Bekl. für selbstverschuldete Unfälle mit einer Selbstbeteiligung von 1.050 EUR pro Schadenfall. Nach I 2. der in den Mietvertrag einbezogenen AGB ist die Kl., sofern der Schaden grob fahrlässig herbeigeführt wurde, berechtigt, ihre Leistungsverpflichtung zur Haftungsfreistellung in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Am 14.9.2016 gegen 18:15 Uhr verursachte der Bekl. einen Schaden am Mietfahrzeug. Er befuhr die BAB A … aus Richtung Stadt 1 kommend in Richtung Stadt 2. Auf dem Rücksitz des Fahrzeugs befanden sich die beiden damals acht bzw. neun Jahre alten Kinder des Bekl. In Höhe der Abfahrt Stadt 3 wechselte er von der linken auf die rechte Fahrspur. Da er bei seinem zuvor getätigten kurzen Schulterblick wahrgenommen hatte, dass sein rechts hinter ihm sitzender achtjähriger Sohn einen Gegenstand in der Hand hielt, den er zunächst nicht identifizieren konnte, drehte er sich nach Beendigung des Fahrspurwechsels nach hinten zu diesem Kind auf der Rückbank um. Da er hierbei kurzzeitig das Verkehrsgeschehen außer Acht ließ, bremste er nicht mehr rechtzeitig und fuhr auf das etwa mittig vor ihm auf der rechten Spur fahrende Motorrad des Zeugen A auf.
2 Aus den Gründen:
"… Der Kl. steht gegen den Bekl. ein Anspruch auf Schadenersatz wegen der Beschädigung des an ihn vermieteten Fahrzeugs über die gezahlte Selbstbeteiligung von 1.050 EUR hinaus i.H.v. weiteren 4.426,19 EUR zu (§ 280 Abs. 1, § 535, § 823 Abs. 1 BGB)."
Der Bekl. hat seine aufgrund des abgeschlossenen Mietvertrages bestehende Verpflichtung, das von der Kl an ihn vermietete Fahrzeug nach Ablauf des Mietzeitraums unbeschädigt an sie zurückzugeben, verletzt, da das Fahrzeug durch den eingetretenen Unfall erheblich beschädigt war. Dies geschah während der Mietdauer und damit in seinem Obhutsbereich. Hieran traf ihn auch ein Verschulden, da er nicht hinreichend aufmerksam gefahren ist, sondern sich während der Fahrt auf der Autobahn zu seinem Kind auf der Rückbank umgesehen und dabei die vor ihm befindliche Fahrbahn nicht mehr beobachtet hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
Die Haftung des Bekl. ist nicht auf den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt i.H.v. 1.050 EUR beschränkt, welchen der Bekl. anerkannt und bereits gezahlt hat. Die Verpflichtung der Kl. zur Haftungsfreistellung ist gemäß Ziffer I. Nr. 2 ihrer AGB, welche Vertragsinhalt geworden sind, jedenfalls in Höhe der von ihr in der Berufungsinstanz noch verlangten Quote von 50 % entfallen, da der Bekl. den Unfall grob fahrlässig verursacht hat und die Schwere seines unfallursächlichen Verschuldens in dieser Höhe zu bewerten ist.
Das unfallursächliche Verhalten des Bekl. ist als grob fahrlässig anzusehen. Diese Wertung ergibt sich aus dem unstreitigen und dem von dem LG festgestellten Hergang. Danach hat der Bekl. sich während der Fahrt mit nach seinen Angaben ca. 50 bis 60 km/h auf der rechten Spur der zweispurigen Autobahn nach hinten umgewandt und dadurch seinen Blick für einen gewissen kurzen Zeitraum vollständig von dem Verkehrsgeschehen vor ihm abgewandt. Dadurch bemerkte er nicht rechtzeitig, dass der mit seinem Motorrad etwa mittig vor ihm fahrende Zeuge A abbremste, und konnte darum seinerseits nicht mehr rechtzeitig bremsen, so dass er mit dem Pkw der Kl. auf das Motorrad auffuhr. Durch das Umdrehen nach rechts hinten machte der Bekl. es sich kurzzeitig unmöglich, das vor ihm befindliche Verkehrsgeschehen zu beobachten und hierauf gegebenenfalls zu reagieren. Auch wenn der Verkehrsfluss auf der Autobahn seinerzeit nicht in der für eine Autobahn üblichen hohen Geschwindigkeit erfolgte, sondern infolge des stockenden Verkehrs auf der rechten Fahrspur nur mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 bis 60 km/h gefahren wurde, wie der Bekl. vorgetragen hat und woraus unmittelbar auf das Stocken des Verkehrs geschlossen werden kann, so musste doch jeder Fahrer gerade aufgrund dieses Stockens des Verkehrs die vor ihm befindlichen Fahrzeuge ständig beobachten, um weitere Stockungen, die bei einer solchen Verkehrssituation auf der Autobahn üblicherweise und gerade auch aufgrund von Fahrspurwechseln anderer Verkehrsteilnehmer schnell auftreten können, sogleich wahrzunehmen und daraufhin sein Fahrzeug abbremsen zu können.
Der Bekl. hat hingegen seine Aufmerksamkeit während der Fahrt seinem auf d...