Der BGH hat in der Entscheidung vom 12.1.2016 zu den Grundsätzen der Ermittlung des Erwerbsschadens Stellung genommen. Der Entscheidung lag folgender Fall zugrunde:
Der 50 Jahre alte Geschädigte wurde vom Beklagten vorsätzlich lebensgefährlich verletzt. Das klagende Land erbrachte Leistungen nach OEG und nahm den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Ersatz in Anspruch. Der Geschädigte hatte ein unstetes Erwerbsleben.
Das OLG hat den Beklagten zur Zahlung eines hohen Schadenersatzes verurteilt. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Zur Begründung führte er aus:
Die erleichterte Schadenberechnung nach § 252 BGB i.V.m. § 287 ZPO lässt eine völlig abstrakte Berechnung des Erwerbsschadens nicht zu. Sie verlangt vielmehr die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung. Der zu ersetzende Schaden liegt nicht im Wegfall oder in der Minderung der Arbeitskraft als solcher, sondern setzt voraus, dass dieser Ausfall oder die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sich beim Erwerbsergebnis konkret ausgewirkt hat. Daher geht es nicht an, einem Verletzten, dessen Arbeitskraft im arbeitsfähigen Alter beeinträchtigt worden ist, ohne hinreichende Anhaltspunkte dafür, wie sich seine Erwerbstätigkeit ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich entwickelt hätte, gleichsam pauschal einen (abstrakt geschätzten) "Mindestschaden" zuzusprechen.
Allerdings dürfen die Anforderungen an die erforderlichen Darlegungen des Geschädigten nicht überspannt werden. Dies gilt insbesondere dort, wo der Geschädigte, etwa weil er zum Zeitpunkt des Schadensereignisses noch in der Ausbildung oder am Anfang einer beruflichen Entwicklung stand, nur wenig konkrete Anhaltspunkte dazu liefern kann, wie sich sein Erwerbsleben voraussichtlich gestaltet hätte. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es in der Verantwortlichkeit des Schädigers liegt, dass der Geschädigte in einem so frühen Zeitpunkt seiner beruflichen Entwicklung aus der Bahn geworfen wurde, woraus sich erst die besondere Schwierigkeit ergibt, nun eine Prognose über deren Verlauf anzustellen. In derartigen Fällen darf sich der Tatrichter jedoch seiner Aufgabe, auf der Grundlage der §§ 252 BGB, 287 ZPO eine Schadenermittlung vorzunehmen, nicht vorschnell unter Hinweis auf die Unsicherheit möglicher Prognosen entziehen.
Soweit sich keine Anhaltspunkte ergeben, die überwiegend für einen Verlauf oder einen Misserfolg sprechen, liegt es nahe, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit auszugehen, auf dieser Grundlage die weitere Prognose der entgangenen Einnahmen darzustellen und den Schaden gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Risiken in der Entwicklung kann durch die Vornahme von Abschlägen Rechnung getragen werden.