"… II."
[9] Die Beschwerde, bei deren Prüfung der VGH gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, ist zulässig und begründet.
[10] Der Widerspruch gegen den Entziehungsbescheid v. 30.7.2020 hat voraussichtlich Erfolg, was die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gebietet.
[11] Nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz v. 3.12.2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 S. 1 FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung v. 11.3.2019 (BGBl I S. 218), zum Teil in Kraft getreten zum 1.1.2021, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kfz ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit der Fahreignung steht, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen oder die erhebliche Straftat unter Nutzung eines Fahrzeugs begangen wurde. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 [zfs 2017, 474 =] BVerwGE 156, 293 = juris Rn 19). Dies ist hier nicht der Fall, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 FeV nicht erfüllt sind. Darauf, ob die AG ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, kommt es demgemäß nicht mehr an.
[12] Allerdings sind das VG und die AG zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Begriff “erheblich' auf die Kraftfahreignung bezieht und nicht ohne weiteres mit “schwerwiegend' gleichzusetzen ist (BT-Drucks 302/08, S. 61; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn 30 m.w.N.); des Weiteren, dass Straftaten nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.12014 (Vkbl S. 110) in der Fassung v. 28.10.2019 (Vkbl S. 775) insbesondere dann auf ein hohes Aggressionspotenzial schließen lassen, wenn sie eine Bereitschaft zu ausgeprägt impulsivem Verhalten erkennen lassen und dabei Verhaltensmuster deutlich werden, die sich so negativ auf das Führen von Kraftfahrzeugen auswirken können, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist (BayVGH, Beschl. v. 30.11.2020 – 11 CS 20.1781, juris Rn 16). Denn wer aufgrund des rücksichtslosen Durchsetzens eigener Interessen, aufgrund seines großen Aggressionspotenzials oder seiner nicht beherrschten Affekte und unkontrollierten Impulse in schwerwiegender Weise die Rechte anderer verletzt, lässt nicht erwarten, dass er im motorisierten Straßenverkehr die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer – zumindest in den sehr häufigen Konfliktsituationen – respektieren wird (Nr. 3.16 der Begutachtungsleitlinien; BayVGH, Beschl. v. 30.11.2020 a.a.O.; vgl. auch VGH BW, Urt. v. 27.7.2016 – 10 S 77/15 – VRS 130, 256 = juris Rn 30 [DV 2016, 300 = zfs 2016, 657, Leits.; HessVGH, Beschl. v. 13.2.2013 – 2 B 189/13 – [zfs 2013, 478 =] NJW 2013, 3192 = juris Rn 6; BayVGH, Beschl. v. 5.7.2012 – 11 C 12.874 – juris Rn 24; Dauer, a.a.O. § 11 FeV Rn 35; Koehl, SVR 2013, 8). In Betracht kommen insoweit typischerweise solche Straftaten, die sich durch Aggression gegen Personen oder Sachen ausdrücken, wie etwa Körperverletzung, Raub, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, Nötigung und Sachbeschädigung (BayVGH, Beschl. v. 30.11.2020 a.a.O.; HessVGH, a.a.O.; NdsOVG, Urt. v. 8.7.2014 – 12 LC 224/13 – [DV 2014, 286 = zfs 2014, 720, Leits.=] NJW 2014, 3176 = juris Rn 58; Tepe, NZV 2010, 64/66). Die Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial müssen hinreichend konkret sein und den entsprechenden Eignungsmangel des Fahrerlaubnisinhabers als naheliegend erscheinen lassen. Das eignungsausschließende Aggressionspotenzial muss aber nicht bereits als vorhanden festgestellt worden sein. Ob ein solcher Eignungsmangel vorliegt, soll vielmehr erst durch die medizinisch-psychologische Begutachtung geklärt werden (BayVGH, Beschl. v. 30.11.2020 a.a.O.; VGH BW, a.a.O; HessVGH, a.a.O.).
[13] Andererseits ist der Systematik des § 11 Abs. 3 S. 1 FeV zu entnehmen, dass nicht jede Straftat, die im Zusammenhang mit der Fahreignung steht und Anhaltspunkt...