Einige Gerichte gehen den Einwendungen gegen die Erstattung von Infektionskosten in der Sache mit dem Hinweis auf das sog. Werkstattrisiko gar nicht nach. Auch insoweit gilt aber, dass es immer auf den Einzelfall ankommt. Die Rechtsprechung des BGH hierzu beruht auf dem Gedanken, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist, dass den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und die Angelegenheit in die Hände von Fachleuten begeben hat, so dass ihm ein unsachgemäßes oder unwirtschaftliches Arbeiten des Betriebs nicht zur Last gelegt werden kann. Dies ist nur dann anders, wenn bei dem Geschädigten eine ausreichende Sachkunde vorhanden gewesen ist.
Diese Rechtsprechung kann aber nur eingreifen, wenn es sich tatsächlich um Positionen handelt, für die ein Schadensersatz zu gewähren ist. Fehlt es dagegen schon aus Rechtsgründen an einer Erstattungspflicht des Schädigers, weil etwa eine Adäquanz oder ein objektiver Zurechnungszusammenhang vereint wird, besteht auch keine Eintrittspflicht der Schädigerseite. In diesem Fall sind auch keine Desinfektionskosten als Schadensersatz zu erstatten.
Anders sieht es dagegen aus, wenn der Geschädigte gegenüber der Reparaturwerkstatt keinen konkreten Auftrag – weder ausdrücklich noch konkludent – bzgl. der Desinfektionskosten erteilt hat, ihm diese Kosten aber trotzdem in Rechnung gestellt werden. Gleiches gilt, wenn bei einem konkludent erteilten Auftrag Kosten in Rechnung gestellt werden, die deutlich oberhalb der üblichen Vergütung oder des als erforderlich anzusehenden Aufwands liegen. Teilweise wird vertreten, dass der Geschädigte einen solchen offenkundigen Umstand auch selbst erkennen und ihm dies daher entgegengehalten werden kann. Dies wäre zumindest dann zu bejahen, wenn derartige Kosten außerhalb eines Auftrags mit einer auffallend hohen Summe von z.B. 200 EUR abgerechnet werden. Geringe überschaubare Zusatzkosten müssen dagegen vom Geschädigten nicht separat geprüft werden – zumindest dann nicht, wenn diese zuvor in einem Gutachten als notwendige Maßnahmen angeführt werden und das Gutachten die Grundlage für den späteren Reparaturauftrag darstellt.
In diesen Fällen bietet es sich allerdings auch im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des BGH an, zu differenzieren, ob der Geschädigte die Rechnung bereits bezahlt hat. Hat er gutgläubig eine solche Zahlung vorgenommen, indiziert dies zum einen die Erforderlichkeit des geforderten Betrags und zum anderen ist der nicht fachkundige Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Schadensbetrachtung auch schützenswert. Ihm ist der gesamte gezahlte Betrag Zug um Zug gegen eine Abtretung eines möglichen Rückforderungsanspruchs gegen die Werkstatt nach § 255 BGB analog zu erstatten. Dabei reicht schon die Möglichkeit, dass eine solche Ersatzforderung besteht – den Nachweis, dass ein solcher Anspruch besteht, hat der Zessionsberechtigte nicht gegenüber dem zur Abtretung verpflichteten Forderungsinhaber zu führen, sondern erst im Verfahren gegen den Schuldner. Hat der Geschädigte dagegen den Betrag noch nicht gezahlt, sind ihm gegenüber auch weiterhin alle Einwendungen eröffnet. Dies überzeugt auch statt einer Auszahlung an den Geschädigten Zug um Zug gegen eine Abtretung, der dann den Reparaturbetrieb mit diesem Betrag erst einmal bezahlt, der Betrieb aber sogleich den Betrag im Regresswege wieder an die Schädigerseite zurück zu erstatten hätte.
Dieser Einwand gilt erst recht gegenüber dem Reparaturbetrieb, welcher die Erstattung von Desinfektionskosten aus abgetretenem Recht bei einer weiterhin, zumindest zu dieser Position, unbezahlten Rechnung verfolgt. Ihm gegenüber sind alle Einwendungen – auch zur Höhe der geforderten Vergütung – eröffnet und im Verhältnis zum Reparaturbetrieb wird dann die Erstattungsfähigkeit der Kosten für eine Desinfektion zutreffend geklärt. Neben der unbezahlten Rechnung, der insoweit keine Indizwirkung zukommt, lässt sich hier auch anschaulich mit der dolo agit Einrede aus § 242 BGB argumentieren: Es wäre jedenfalls unverständlich, wenn der Reparaturbetrieb erst aus abgetretenem Recht die geforderte Vergütung direkt von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung des Unfallgegners erhält, diesen Betrag aber zugleich aus abgetretenem Recht zurückerstatten müsse.
Autor: Falk H. Böhm, RA und FA für VerkehrsR und VersR, Köln; Dr. Michael Nugel, RA und FA für VerkehrsR und VersR, Essen
zfs 5/2021, S. 244 - 250