Zitat

… Die in diesem Bescheid erfolgte Entziehung der Fahrerlaubnis der Antragstellerin erweist sich voraussichtlich als rechtswidrig, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsgegner nicht gemäß § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen durfte, nachdem diese das mit Schreiben des Antragsgegners vom 1.9.2020 geforderte Gutachten auch nach Verlängerung der hierfür zunächst bis zum 19.10.2020 gesetzten Frist bis zum 13.11.2020 nicht beigebracht hat. Nach der genannten Vorschrift darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn dieser sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderten Gutachten nicht fristgerecht vorlegt. Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen, verhältnismäßig und hinreichend bestimmt ist.

Vgl. BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 –, juris, Rn 19, und v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 –, juris, Rn 19; zu § 15b Abs. 2 StVZO a.F. siehe BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 –, juris, Rn 20; Dauer, in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46 Aufl. 2021, § 11 FeV Rn 55.

Die mit Schreiben des Antragsgegners vom 1.9.2020 gegenüber der Antragstellerin erfolgte Anordnung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle zur Frage ihrer Kraftfahrtauglichkeit erweist sich als rechtswidrig, weil die Auswahl der dort bestimmten Gutachtergruppe (Arzt bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle i.S.v. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 FeV) zumindest ermessensfehlerhaft erfolgt ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 FeV bestimmt die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anordnung der Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 S. 1 FeV, von welcher der in § 11 Abs. 2 S. 3 Nrn. 1 bis 5 FeV genannten Gutachtergruppen das Gutachten erstellt werden soll. Diese Auswahlentscheidung hat die Fahrerlaubnisbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.

Vgl. BayVGH, Beschl. v. 7.3.2008 – 11 CS 08.346 –, juris, Rn 6, und v. 29.11.2012 – 11 CS 12.2276 –, juris, Rn 11; VG München, Beschl. v. 3.9.2018 – M 26 S 18.2667 –, juris, Rn 21; Siegmund, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht (Stand 1.12.2021), § 11 FeV Rn 56.

Dabei sind, worauf die Antragstellerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung hinweist, auch die Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115 – im Folgenden: Begutachtungsleitlinien –), die gemäß § 11 Abs. 5 FeV i.V.m. Anlage 4a zur FeV Grundlage für die Beurteilung der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sind, in den Blick zu nehmen. Nach deren Nr. 2.2 (“Auswahl des Gutachters') Buchstabe b (“zur Qualifikation des Gutachters') ist bei speziellen medizinischen Fragestellungen die fachärztliche Begutachtung sicherzustellen. Zudem ist in den Begutachtungsleitlinien in Nr. 3.12.4 in Bezug auf affektive Psychosen und in Nr. 3.12.5 hinsichtlich schizophrener Psychosen ausgeführt, dass die Begutachtungen bzw. erforderliche Nachuntersuchungen nur von einem Facharzt für Psychiatrie (Nr. 3.12.4) bzw. von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie (Nr. 3.12.5) durchzuführen sind.

Es kann dahingestellt bleiben, ob bei der Antragstellerin eine affektive oder eine schizophrene Psychose in Rede steht. Bei der vom Antragsgegner in seiner Gutachtenanordnung vom 1.9.2020 aufgeworfenen Frage, “Liegt bei der Untersuchten aufgrund des o.g. und aktenkundigen Sachverhaltes eine psychiatrische Gesundheitsstörung oder Krankheit vor, die die Fahreignung einschränkt oder ausschließt?', handelt es sich jedenfalls um eine spezielle medizinische Fragestellung im Sinne von Nr. 2.2 der Begutachtungsleitlinien. Hiervon dürfte im Übrigen auch der Antragsgegner ausgegangen sein, worauf insbesondere der Umstand hindeutet, dass das Wort “psychiatrische' in der Gutachtenanordnung in Fettdruck gesetzt worden ist. Für derartige Fragestellungen ist in Nr. 2.2 der Begutachtungsleitlinien ebenfalls die Sicherstellung einer fachärztlichen Begutachtung vorgesehen. Insoweit wäre vorliegend die Begutachtung etwa durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie (vgl. in diesem Zusammenhang Siegmund, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht (Stand 1.12.2021), § 11 FeV Rn 55), jeweils mit verkehrsmedizinischer Qualifikation i.S.v. § 11 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 FeV in den Blick zu nehmen gewesen.

Ungeachtet der Frage, ob angesichts dessen vorliegend das Auswahlermessen des Antragsgegners auf die genannten Fachärzte beschränkt war, hätte er für eine ordnungsgemäße Ausübung seines Ermessens jedenfalls darlegen müssen, aus welchem Grund er demgegenüber die Vorlage eines Gutachtens eines Arztes bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle geford...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge