[…] II. Die statthafte (§ 335 Abs. 1 StPO) und auch sonst zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sowie begründete, Sprungrevision der Staatsanwaltschaft Göttingen hat nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch Erfolg. Der Rechtsfolgenausspruch des Amtsgerichts hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Beschränkung der Revision der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam, da das Urteil des AG Göttingen die notwendigen Feststellungen enthält, um einen Schuldspruch nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB und somit nicht nur wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG zu begründen.
Das AG hat insbesondere zutreffend festgestellt, dass der Angeklagte infolge des Konsums alkoholischer Getränke nicht mehr in der Lage war, den verwendeten Miet-E-Scooter (Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG) sicher zu führen. Dies folgt aus dessen festgestellter Tatzeit-Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille, welche seine absolute Fahruntüchtigkeit begründete.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob auch für Führer eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters der für Kraftfahrzeugführer geltende Grenzwert von 1,1 Promille (BGH, Beschl. v. 28.6.1990 – 4 StR 297/90; BGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 4 StR 439/22) für die Begründung der absoluten Fahruntüchtigkeit heranzuziehen ist (dafür: BayObLG, Beschl. v. 24.7.2020 – 205 StRR 216/20; KG, Urt. v. 10.5.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21); OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2021 – 1 Ss 113/21; offengelassen: BGH, Beschl. v. 2.3.2021 – 4 StR 366/20).
Zur Begründung eines die absolute Fahruntüchtigkeit indizierenden und jeden Gegenbeweis ausschließenden Grenzwertes hat der BGH bisher auf die Notwendigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse verwiesen (für Kraftfahrer: BGHSt 5, 168; BGHSt 10, 265; für Fahrradfahrer: BGH, Beschl. v. 7.8.1963 – 4 StR 270/63; für Kraftradfahrer: BGH, Beschl. v. 14.3.1969 – 4 StR 183/68; für das Mofa-25: BGH, Beschl. v. 29.8.1974 – 4 StR 134/74). Dabei hat der BGH, dessen auf allgemein als gesichert geltenden Erkenntnissen beruhende Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit vom BVerfG gebilligt wurde (BVerfG, Kammerbeschl. v. 27.6.1994 – 2 BvR 1269/94), darauf hingewiesen, dass eine "Gleichbehandlung der Fahrer aller einspuriger Kraftfahrzeuge bedenklich" erscheine (BGH, Beschl. v. 14.3.1969 – 4 StR 183/68).
Das BayObLG und die OLGe Frankfurt sowie Hamburg haben dennoch ohne Rückgriff auf spezielle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Begründung eines Grenzwertes für den Eintritt der absoluten Fahruntüchtigkeit eines als Elektrokleinstfahrzeug einzuordnenden E-Scooters allein auf die Einstufung als Kraftfahrzeug abgestellt. Indes werden in dem genannten Urteil des KG vom 10.5.2022 durchaus belastbare Erkenntnisse – insbesondere eine Studie der Universität Düsseldorf – zur Begründung eines Grenzwertes von 1,1 Promille für die absolute Fahruntüchtigkeit für Führer von E-Scootern nach § 1 eKFV angeführt.
Ob dem zu folgen ist – und ob die Erkenntnisse aus der vom Kammergericht herangezogenen Studie in den maßgebenden Fachkreisen auch allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig anerkannt sind (vgl. BGH, Entsch. v. 9.12.1966 – 4 StR 119/66) – konnte der Senat vorliegend dahinstehen lassen, weil der Angeklagte sogar den für Fahrradfahrer geltenden Grenzwert für die Bestimmung der absoluten Fahruntüchtigkeit überschritten hat. Es ist anerkannt, dass auf die absolute Fahruntüchtigkeit auch mithilfe eines sicheren Vergleichs geschlossen werden kann (vgl. für Führer eines betriebsunfähigen abgeschleppten Fahrzeugs: BGHSt 36, 341; für den Luftverkehr: MüKo StGB/Pegel, § 316, Rn 51).
Die beim Führen eines E-Scooters geforderte psycho-physische Leistungsfähigkeit sowie die von einem alkoholisierten Zustand eines E-Scooter-Führers für andere Verkehrsteilnehmer ausgehende Gefahr sind mit denen von Führern von Fahrrädern mindestens gleichzustellen (sogar für die Annahme erhöhter Anforderungen im Fahrbetrieb KG, Urt. v. 10.5.2022 – (3) 121 Ss 67/21 (27/21)). Das folgt auch aus der Begründung der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr und zur Änderung weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (eKFV). Danach ähneln Elektrokleinstfahrzeuge in ihren Fahreigenschaften und ihrer Verkehrswahrnehmung sowie einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h bis 20 km/h am stärksten denen des Fahrrads, weshalb für diese Elektrokleinstfahrzeuge verkehrs- und verhaltensrechtlich die Regelungen über Fahrräder mit Maßgabe besonderer Vorschriften gelten sollen (BR-Drs 158/19 S. 23 und 38). Für ähnliche Fahreigenschaften sprechen die jeweilige Ausstattung mit zwei Rädern sowie einer Lenkstange. Beiden Fortbewegungsmitteln wohnt auch eine ähnliche Geräuschentwicklung inne. Im Falle von Gefahrenbremsungen verfügt ein E-Scooter – ebenso wie die meisten Fahrräder – über zwei voneinander unabhängige Bremsen (§ 4 Abs. 1 eKFV) sowie eine – ebenfalls an viel...