Liebe Leserinnen und Leser der zfs,

wenn Sie dieses Exemplar in der Hand halten, ist es geschehen: Der Gesetzgeber hat das Konsum-Cannabisgesetz (CanG) verabschiedet. Auch wenn das Schlagwort "Zeitenwende" gerade in der Politik zahlreich (zuweilen sogar inflationär) verwendet wird, so stellt die Legalisierung von Cannabis und der damit einhergehenden rechtlichen Konsequenzen durchaus eine solche dar. Unter Heranziehung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe will der Gesetzgeber einen Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum für das Führen von Kraftfahrzeugen festlegen und hat auch gleichzeitig – bspw. mit § 13a FeV – Amnestie-Regelungen geschaffen.

Die Legalisierung von Cannabis ist nicht überall auf Gegenliebe getroffen. Gerade die Polizeibehörden weisen zu Recht darauf hin, dass mit dem straffreien Konsum von Cannabis (natürlich neben verkehrssicherheitsrelevanten Aspekten) die ohnehin bereits strapazierten Ressourcen bei verkehrspolizeilichen Behörden ein erheblicher Mehraufwand zu erwarten sein wird. Neben unzähligen strafrechtlichen Überprüfungsverfahren (in NRW sogar bis zu 60.000 Fällen!), müssen auch laufende außergerichtliche und gerichtliche Fahrerlaubnisverfahren erneut überprüft und an die neue Rechtslage angepasst werden.

In allen Bundesländern gibt es anhaltende Sorgen über den Mangel an Polizeikräften (SWR v. 29.7.2022) und auch in der öffentlichen Verwaltung ist bis 2030 mit ein Fachkräftemangel von über 1,3 Million offenen Stellen zu rechnen (Tagesschau v. 8.8.2023). Für den Konsumenten ergibt sich hier eine nicht ganz ungefährliche Lage, da der Staat die Legalisierung von Cannabis vorantreibt und die öffentliche Verwaltung aber bereits strukturell nicht in der Lage ist, die dringende und notwendige Aufklärung zu leisten, da viele Menschen ahnungslos darüber sind, wie THC auf den Körper wirkt und welche rechtlichen Folgen Gebrauch mit sich bringt.

Es ist zu erwarten, dass zukünftig eine erhöhte Anzahl an cannabisbeeinflussten Verkehrsteilnehmer festzustellen sein wird, bei vielen Verbrauchern wird es nicht beim einmaligen Joint bleiben. Auch die rechtliche Handhabe beim sogenannten Mischkonsum von Alkohol und Cannabis in kleinen Mengen ist in der Wechselwirkung bislang noch nicht geklärt.

Einerseits, weil die Abbaugeschwindigkeit des THC von individuell unterschiedlichen Faktoren abhängt, die der Konsument wohl selbst nicht überblicken kann. Zumindest aber liegt bekanntermaßen keine lineare Abbaukurve wie bei Alkohol in Blut vor, sondern ein zeitlich komplizierterer Verlauf beim Abbauverhalten, insbesondere wenn häufiger THC konsumiert wird.

Andererseits gibt es derzeit keine geeigneten (kostengünstige) Testsysteme, die den Konsumenten in die Lage versetzen würde, seine eigene konkrete individuelle Höhe des THC-Gehaltes (also über den Cut-Off Wert hinaus) und des Metaboliten selbst bestimmen zu können, in Sichtweite der Grenzwerterhöhung wird auch dieser Umstand dazu führen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl an Fahrerlaubnisüberprüfungen eingeleitet werden müssen. Trotz Wegfall des Gelegenheitskonsumenten in der Fahrererlaubnis Praxis schätze ich, dass gerade die Zahl an Entziehungsverfahren durch die Fahrerlaubnisbehörden exponentiell steigen wird.

Die große Herausforderung ist, in kürzester Zeit dem Verbraucher flächendeckende Informationen zur Verfügung zu stellen und solide Qualitätsstandards für die Cannabisprävention (gerade im Jugendbereich) zu setzen. An solchen fehlt es augenscheinlich eklatant.

Auch in versicherungsrechtlicher Hinsicht sind viele Fragen offen, da der GDV ebenfalls – zurecht – darauf hinweist, dass es an klaren Haftungsregeln für den Cannabiskonsum in Straßenverkehr fehlt. Auch hier wird die Justiz die Frage verstärkt beschäftigen, ab wann ein Regress möglich ist bzw. wann eine Leistungskürzung bis hin zur Versagung in der Kaskoversicherung erfolgreich durchgesetzt werden kann.

Im Beratungsalltag sollte daher in den kommenden Monaten bei vielen Kolleginnen und Kollegen all dies ein Hauptaugenmerk sein; es ist angezeigt, bei Kenntnis von Cannabiskonsum umfassend zu beraten, sei es in strafrechtlicher, führerscheinrechtlicher oder auch in versicherungsrechtlicher Hinsicht.

Autor: Claudio La Malfa

RA Claudio La Malfa; FA für Verkehrsrecht, für Arbeitsrecht und für Versicherungsrecht, Emmendingen

zfs 5/2024, S. 241

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