“ … Vorliegend hat der Erinnerungsführer sowohl einen Anspruch auf Erstattung der Geschäftsgebühr (§§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 2300 VV) als auch einen Anspruch auf Erstattung der Verfahrensgebühr (§§ 2, 49 RVG i.V.m. Nr. 3100 VV), die sich aber nicht gegen denselben Schuldner richten: Der Anspruch auf die Erstattung der Geschäftsgebühr richtet sich gegen den Mandanten (§ 611 Abs. 1 BGB). Dem gegenüber besteht gem. § 45 Abs. 1 RVG der Vergütungsanspruch nach Gewährung von Prozesskostenhilfe auch unmittelbar gegenüber der Staatskasse (Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. 2006, § 45 RVG Rn 20; v. Eicken, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 45 Rn 2), die Geltendmachung des Vergütungsanspruches gegenüber der Partei ist durch § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen (zum Umfang der Forderungssperre Philippi, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 122 Rn 11 ff.). Vorliegend wurde der Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse geltend gemacht. Vorschüsse und sonstige Zahlungen hat der Erinnerungsführer nach seiner Erklärung von der Partei nicht erhalten.
In dieser Konstellation erfolgt nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV grundsätzlich keine Minderung des Anspruchs auf Erstattung der Verfahrensgebühr.
Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
a) Bereits der Wortlaut der Norm spricht in der vorliegenden Fallkonstellation gegen eine Minderung der Verfahrensgebühr. Zwar heißt es in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erfolge. Es wird jedoch gerade nicht vorgeschrieben, dass eine “Kürzung’ der Verfahrensgebühr erfolgen solle, sondern es wird der Begriff der “Anrechnung’ verwendet. In Anlehnung an den Begriff der “Aufrechnung’ dürfte der Begriff der “Anrechnung’ voraussetzen, dass eine Person einer anderen zwei gleichartige Leistungen schuldet (vgl. § 387 BGB zur “Aufrechnung’ einer gleichartigen Forderung zwischen zwei Personen, die einander Leistungen schulden). Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die von der Gegenseite zu erstattende Verfahrensgebühr kommt daher schon vom Wortlaut her nur dann in Betracht, wenn auch die Gegenseite zur Erstattung der Geschäftsgebühr verpflichtet ist. Auf diese Fälle ist die Anrechnung beschränkt. Vorliegend jedoch trifft den Erinnerungsgegner gegenüber dem Erinnerungsführer keine Pflicht zur Erstattung der Geschäftsgebühr.
b. Diese Überlegungen werden durch den systematischen Vergleich der Regelung in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV mit den Tatbeständen von Nr. 2301 VV und Nr. 3103 VV bestätigt.
Anders als Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV sieht Nr. 3103 VV für die Fälle der vorherigen Vertretung im Verwaltungsverfahren vor einem sozialgerichtlichen Verfahren eine in Bezug auf Nr. 3102 VV verminderte Verfahrensgebühr vor (20–230 EUR statt 40–460 EUR). In diesen Fällen wird also unabhängig von (der Erstattungsfähigkeit) der Geschäftsgebühr die Verfahrensgebühr gemindert. Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV nimmt jedoch ausdrücklich Bezug auf die Geschäftsgebühr.
Eine ausdrückliche Gebührenminderung sieht auch Nr. 2301 VV in Bezug auf Nr. 2300 VV vor, wenn dem Betreiben des Geschäfts eine vorherige Vertretung im Verwaltungsverfahren vorausging. Für den Fall der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV – mit der gleichen Interessenlage –, dass der Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Vertretung im Verwaltungsverfahren vorausging, sieht das Gesetz aber gerade keine solche Minderung der Verfahrensgebühr vor (VG Sigmaringen, Beschl. v. 12.6.2006 – A 1 10321.05 –, zitiert nach juris, Rn 12).
c. Schließlich bestätigen auch Sinn und Zweck sowie die Entstehungsgeschichte der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV, dass keine Minderung der von der Staatskasse zu leistenden Verfahrensgebühr stattfindet, wenn diese nicht auch die Geschäftsgebühr zu erbringen hat.
Eine generelle Minderung der von der Staatskasse zu erstattenden Verfahrensgebühr würde zu einer unbilligen Entlastung der Staatskasse führen, wenn die Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde, im Verwaltungsverfahren bereits von demselben Anwalt vertreten wurde. Eine solche Entlastung entspricht aber nicht der Intention des Gesetzgebers. Das mit Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV bezweckte Ziel war die Vermeidung einer “doppelten Honorierung’ des Rechtsanwalts und die Förderung der außergerichtlichen Erledigung (BT-Drucks 15/1971, 209), nicht aber die Entlastung der Staatskasse in Fällen der Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Der unbilligen Entlastung der Staatskasse entspräche auf der anderen Seite eine unbillige Belastung der Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde, wenn sie lediglich eine geminderte Verfahrensgebühr erhielte (vgl. Enders, JurBüro 2006, 78; KG Berlin JurBüro 2006, 202; BayVGH NJW 2007, 170 [171 f.]; OVG NRW NJW 2006, 1991 [1992]). In den Fällen, in denen die Geschäftsgebühr nicht im Kostenerstattungsverfahren festgesetzt wird, hat die Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde – anders als im Zivilprozess –, keine Möglichkeit, die Geschäftsgebühr gesondert zu erhalten. Auf diese Weise wür...