Trotz umfangreicher Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers in §§ 6, 7 VVG 2008 ist – jedenfalls aus der Regierungsbegründung – nicht zu erkennen, dass sich der Gesetzgeber mit dem Problem sprachlicher Defizite des Versicherungsnehmers, gleich in welcher Phase des Versicherungsverhältnisses, näher auseinandergesetzt hätte. Der Verfasser geht daher davon aus, dass die bislang dargestellte Rechtsprechung und Literatur auf das neue VVG zu übertragen sind und lediglich Besonderheiten in der Beweislastverteilung zu einer veränderten Betrachtung führen können. Für die Phase der Antragstellung wird sich hiernach keine Änderung ergeben. Das Gesetz stellt in § 69 Abs. 3 VVG 2008 ausdrücklich klar, dass der Versicherer die Beweislast für eine Verletzung der Anzeigepflicht trägt. In § 70 VVG 2008 wurde überdies die bisherige Auge-und-Ohr-Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen. Keine Änderungen ergeben sich auch beim Nachweis des Versicherungsfalls. Auf die unter III 1 dargestellten Grundsätze kann verwiesen werden.
Keine Änderung im neuen VVG hat den Sachversicherer so sehr beschäftigt wie die Abkehr von der vollständigen Leistungsfreiheit in den Fällen grober Fahrlässigkeit unter gleichzeitiger Einführung eines sog. Quoten-Modells. Was die Sprachschwierigkeiten anbelangt, so ergibt sich für den Bereich der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls nichts Neues. Unabhängig von der Quotelung auf Rechtsfolgenseite verbleibt die volle Beweislast für die grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des § 81 VVG 2008 beim Versicherer. Es kann auch hier auf die obigen Ausführungen unter III 2 verwiesen werden.
Von Bedeutung werden könnte das neue Quoten-Modell aber im Zusammenhang mit Sprachschwierigkeiten bei der Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls. Der Gesetzgeber ist in § 28 Abs. 2 S. 1 VVG 2008 von der bisherigen Vorsatzvermutung abgewichen und bürdet nun dem Versicherer den Beweis der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung auf. Gelingt der Nachweis nicht, muss sich der Versicherungsnehmer vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlasten, § 28 Abs. 2 S. 2, HS 2 VVG 2008. Zur Erinnerung: Nach der Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 VVG a.F. sollte die Berufung auf Sprachschwierigkeiten nicht zur Widerlegung der Vorsatzvermutung ausreichen, da der Versicherungsnehmer sich ggf. erkundigen und um Hilfe nachsuchen muss, wenn er Erklärungen gegenüber dem Versicherer abgibt. Es gibt für die neue Rechtslage nun zwei Möglichkeiten: Entweder man qualifiziert die trotz Sprachschwierigkeiten abgegebene oder wegen Sprachschwierigkeiten unterlassene Erklärung des Versicherungsnehmers per se als vorsätzlich, weil es seine Aufgabe gewesen wäre, sich fremder Hilfe zu bedienen, oder aber man verlangt vom Versicherer, dass er den Vorsatznachweis über die bereits dargestellten Indizien führt, d.h. er müsste etwa nachweisen, dass der Versicherungsnehmer keine Sprachschwierigkeiten gehabt hat und die Obliegenheit auch im Übrigen vorsätzlich verletzt wurde. Kann er dies nicht oder hält ein Gericht dies nicht für ausreichend, würde die Vermutung grober Fahrlässigkeit verbleiben, von der sich der Versicherungsnehmer zu entlasten hätte. Dieser letztgenannte Weg erscheint im Ergebnis systemgerecht.
Geht man davon aus, dass der Versicherungsnehmer die Vermutung grober Fahrlässigkeit nicht widerlegen kann, was nach der oben dargestellten Rechtsprechung grundsätzlich der Fall sein dürfte, wäre eine Quote zu bilden, d.h. es wäre die Leistungsverpflichtung des Versicherers zu kürzen um die "Schwere des Verschulden", die sich daraus ergibt, dass trotz Sprachschwierigkeiten ohne fremde Hilfe Angaben gegenüber dem Versicherer gemacht wurden, die sich nachträglich als falsch herausstellen oder relevante Angaben unterlassen wurden. Man wird hier in Anlehnung an die von Günther/Spielmann entwickelte Systematik differenzieren können zwischen Handlungsobliegenheiten wie der unverzüglichen Schadenanzeige, der Einreichung einer Stehlgutliste oder dem sog. Veränderungsverbot auf der einen und der Verletzung der allgemeinen Aufklärungsobliegenheit auf der anderen Seite. Die vorgenannten Autoren haben typische Fallgruppen herausgearbeitet sowie potenziell erschwerende Momente, die zu einer Erhöhung der Leistungskürzungsquote führen könnten. Zu den für diese Fallgruppen in der Literatur bislang befürworteten Quoten will sich der Verfasser nicht näher äußern, sondern dies der Entwicklung der Rechtsprechung überlassen. Legt man allerdings derartige Modelle zu Grunde, erscheint es unproblematisch, die vom Versicherungsnehmer behauptete Sprachschwierigkeit als sich zugunsten des Versicherers auswirkendes Moment anzusehen. Es wäre also etwa die wegen verspäteter Einreichung einer Stehlgutliste zu bildende Leistungsfreiheits-Quote nochmals zu erhöhen. Auf diese Weise kann dem Verhalten des Versicherungsnehmers, der sich eigentlich fremder Hilfe hätte bedienen müssen, sachgerecht Rechnung getragen werden.