BBUZ § 1 § 9
Wird ein Auszubildender gegen Berufsunfähigkeit versichert, ist der Berufsbegriff auf solche Tätigkeiten auszuweiten, die erst die Voraussetzungen für die Aufnahme einer bestimmten, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit schaffen sollen.
Für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit ist nicht zwischen der Ausbildungs- und der Ausübungsphase zu unterscheiden. Ist der Versicherte nach abgeschlossener Ausbildung den Anforderungen seines Berufes nicht gewachsen, kann der Versicherer deshalb nicht geltend machen, er übe jetzt einen – verglichen mit der Tätigkeit als Auszubildender – anderen Beruf aus, dem er zu keiner Zeit "in gesunden Tagen" nachgegangen sei.
BGH, Urt. v. 24.2.2010 – IV ZR 119/09
Die Klägerin, damals in der Ausbildung zur Kreissekretärin, nahm ab dem 1.9.2000 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Im Jahre 2001 erlitt die Klägerin mehrere Gehirnblutungen. Mit Schreiben vom 18.7.2002 erkannte die Beklagte die Berufsunfähigkeit der Klägerin ab dem 1.11.2001 an. Die Klägerin setzte ihre Ausbildung – mit Unterbrechungen – fort und schloss diese im September 2004 erfolgreich ab. Als Kreissekretärsanwärterin war sie zuletzt sechs Stunden täglich tätig, was sie der Beklagten in einer Selbstauskunft vom 26.7.2004 mitgeteilt hatte. Seit dem 1.10.2004 arbeitet die Klägerin als Sachbearbeiterin im Kreissozialamt mit auf 19,25 Stunden wöchentlich herabgesetzter Arbeitszeit; die reguläre Arbeitszeit beträgt 41 Stunden wöchentlich. Mit Änderungsmitteilung vom 22.10.2004 kündigte die Beklagte an, ihre Leistungen zum 1.12.2004 einzustellen, nachdem sich der Gesundheitszustand der Klägerin so weit gebessert habe, dass sie einer Tätigkeit als Anwärterin wieder sechs Stunden am Tag nachgehen könne.
Aus den Gründen:
[8] “… II. … Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 B-BUZ sind nicht gegeben. Die Beklagte hat den erforderlichen Nachweis nicht erbracht, dass eine Berufsunfähigkeit der Klägerin i.S.v. § 1 Abs. 1 B-BUZ nicht mehr vorliegt. Sie war daher zu einer Einstellung ihrer Leistungen nicht berechtigt.
[9] 1. Mit ihrem Schreiben vom 18.6.2002 hat die Beklagte ein Leistungsanerkenntnis nach § 7 Abs. 1 B-BUZ abgegeben und erklärt, ab dem 1.11.2001 die nach § 1 Abs. 1 B-BUZ bedingungsgemäß geschuldeten Leistungen zu erbringen. Sie ist daher gehindert, sich bei unverändertem Fortbestand der für die damalige Beurteilung maßgeblichen, ihr bekannt gewordenen Umstände von dieser Erklärung wieder zu lösen. Der Versicherer ist auf Grund der mit seinem Leistungsanerkenntnis verbundenen Selbstbindung nicht befugt, die Berufsunfähigkeit der versicherten Person ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse und/oder seiner Kenntnis hiervon abweichend zu bewerten (vgl. Senat VersR 1986, 1113 unter 2).
[10] 2. Nachträglichen Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin, die eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit entfallen lassen, kann der Versicherer nur im Wege eines Nachprüfungsverfahrens nach § 9 Abs. 1 B-BUZ Rechnung tragen. Allein auf diese Weise kann er erreichen, dass seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder endet. Dabei ist es Sache des Versicherers, im Nachprüfungsverfahren zu beweisen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 B-BUZ nicht mehr gegeben sind. Maßgeblich dafür ist der Vergleich des Gesundheitszustandes, wie er dem Anerkenntnis zu Grunde gelegen hat, mit dem Gesundheitszustand der versicherten Person zu einem späteren Zeitpunkt. Der Versicherer kann von seinem Leistungsanerkenntnis erst dann wieder abrücken, wenn er belegen kann, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass dies zu bedingungsgemäß relevanten Auswirkungen auf seine beruflichen Betätigungsmöglichkeiten führt (BGHZ 121, 284, 292 f.; VersR 1987, 808 unter 3a; r+s 1998, 37 unter 2).
[11] 3. Für die Prüfung, ob eine Berufsunfähigkeit der versicherten Person nicht mehr gegeben ist, kommt es nach § 9 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 B-BUZ darauf an, welchen Beruf diese ‘in gesunden Tagen’ zuletzt ausgeübt hat. Das ist hier der Beruf der Klägerin als Kreissekretärin. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin sich bei Abschluss des Versicherungsvertrages und später bei Eintritt des zum 1.11.2001 anerkannten Versicherungsfalles noch im Anwärterdienst befunden hat.
[12] a) Schließt ein Versicherer mit einer noch in der Berufsausbildung stehenden Person eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab, muss dem Sinn und Zweck der – typischerweise an anderen Sachverhaltsgestaltungen ausgerichteten – Versicherung ausreichend Rechnung getragen werden. Das verbietet es insbesondere, die Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Auszubildenden als bloße Erwerbsunfähigkeitsversicherung anzusehen und zu behandeln; damit wäre das vom Versicherer – hier in § 1 Abs. 1 B-BUZ – gegebene Leistungsversprechen sinnwidrig ausgehöhlt (Senat VersR 1995, 1431 unter 3b).
[13] b) Deshalb ist der Berufsbegriff, sofern der Versicherer einen Auszubildenden versichert, auf solche Tätigkeiten auszuweiten, die erst die Voraussetzung...