Der BGH hat durch seine Entscheidung einen jahrelangen Streit zur Frage des Rechtsschutzfalles bei einer angedrohten Kündigung zwischen Anwaltschaft und Rechtsschutzversicherer entschieden:
Anfang 2006 teilte die Arbeitgeberin, bei der der Kläger in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht, ihm mit, dass sein Arbeitsplatz im Rahmen eines Restrukturierungsprogrammes gestrichen und ihm gekündigt werde, wenn er nicht den ihm angebotenen Aufhebungsvertrag annehme. Im Fall einer Kündigung werde es für ihn – anders als bei der Annahme des Aufhebungsvertrages – keine Abfindung geben.
Die Androhung einer betriebsbedingten Kündigung kann, wenn ein unterbreitetes Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages abgelehnt wird, einen Rechtsschutzfall auslösen.
Aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse ist ein Rechtsschutzfall anzunehmen, wenn das Vorbringen des VN einen objektiven Tatsachenkern – im Gegensatz zu einem bloßen Werturteil – enthält, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes verbindet und worauf er dann seine Interessenverfolgung stützt. Der vorgetragene Tatsachenkern muss dabei die Beurteilung erlauben, ob der damit beschriebene Vorgang den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt jedenfalls mit ausgelöst hat, also geeignet gewesen ist, den Keim für eine (zukünftige) rechtliche Auseinandersetzung zu legen. Weiterer qualifizierender Voraussetzungen bedarf es insofern nicht; ein adäquater Ursachenzusammenhang reicht mithin aus. Bei dem damit verbundenen Vorwurf ist auf die für den Verstoß gegebene Begründung abzustellen. Auf dieser Grundlage löst bereits eine darin enthaltene bloße Behauptung eines Pflichtverstoßes unabhängig von ihrer Berechtigung oder Erweislichkeit den Versicherungsfall aus. Auf die Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit dieser Behauptung in den jeweiligen Auseinandersetzungen kommt es dagegen nicht an. Erst recht spielt es dann keine Rolle, ob es nach dieser Darstellung tatsächlich zu einem Verstoß gekommen ist, der dann auch noch den Vertragspartner bereits in seiner Rechtsposition beeinträchtigt. Entscheidend ist vielmehr, ob eine behauptete Pflichtverletzung zur Grundlage einer rechtlichen Streitigkeit wird. Unbeachtet bleiben demgegenüber nur solche Vorwürfe, die zwar erhoben werden, jedoch nur als Beiwerk ("Kolorit") dienen.
Mit der vom Kläger gegebenen Darstellung ist der Rechtsschutzfall durch das Vorgehen seiner Arbeitgeberin, um das Beschäftigungsverhältnis mit ihm zu beenden, eingetreten. Der Kläger hat ein tatsächliches Geschehen aufgezeigt, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes durch seine Arbeitgeberin verbunden hat: Sie habe ihm einen Aufhebungsvertrag angeboten, im Falle der Nichtannahme eine betriebsbedingte Kündigung angedroht, später mitgeteilt, dass er von der geplanten Stellenreduzierung betroffen sei, Angaben zur Sozialauswahl verweigert und dann zugleich ein befristetes Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages unterbreitet. An der Ernsthaftigkeit, das Arbeitsverhältnis auf diese Weise auf jeden Fall beenden und nicht etwa nur vorbereitende Gespräche über Möglichkeiten von betrieblich bedingten Stellenreduzierungen und deren etwaigen Umsetzungen führen zu wollen, besteht nach diesen Behauptungen kein Zweifel. Auf diese vom Kläger behaupteten Tatsachen hat er den Vorwurf gegründet, die Arbeitgeberin habe ihre Fürsorgepflicht verletzt und damit eine Vertragsverletzung begangen, sie habe eine Kündigung – ohne Auskunft über die Sozialauswahl – in Aussicht gestellt, die – weil sozial ungerechtfertigt – rechtswidrig wäre.