"…"
II.
[7] Die Beschwerde ist gem. § 4 Abs. 3 JVEG statthaft.
[8] Sie ist auch begründet. Die Voraussetzungen, dem Bf. seine Vergütung abzuerkennen, weil er grob fahrlässig oder vorsätzlich seine Ablehnung wegen Befangenheit herbeigeführt hätte (§ 8a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JVEG), liegen nicht vor.
[9] Ein Sachverständiger kann gem. § 406 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteisch gegenüber (BGH NJW-RR, 2017, 569 Rn 8; NJW 2005, 1869 [1870] m.w.N.; GRUR-RR 2008, 365 = DS 2008, 266 Rn 2; NJW-RR 2013, 851= BauR 2013, 1308 Rn 10, jew. m.w.N.).
[10] Das LG hat gemeint, diese Voraussetzungen lägen in der Person des Bf. vor, weil er seinen Gutachtenauftrag überschritten und sich unsachlich gegenüber den Eltern der Kl. geäußert hätte.
[11] Dieser Einschätzung tritt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht bei.
[12] Nicht jede Überschreitung des Gutachtenauftrags rechtfertigt ein Ablehnungsgesuch (Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, Kap. 46 Rn 33; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.10.2014 – 5 W 65/14, BeckRS 2014, 21875 m.w.N.). Das Recht aus § 406 ZPO ist kein allgemeines Instrument, das den Parteien an die Hand gegeben wäre, damit sie unterschiedslos die Einhaltung der Verfahrensregeln durch den Sachverständigen kontrollieren könnten (z.B. § 404a Abs. 2 und 3 ZPO). Vielmehr muss der Verfahrensverstoß, hier also die Überschreitung des Gutachtenauftrags, aus Sicht der verständigen Partei den Schluss zulassen, der Sachverständige stehe ihr nicht unvoreingenommen gegenüber. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Sachverständige eigenständige Ermittlungen anstellt, die das Beweisergebnis beeinflussen; dieses Verhalten kann von einer verständigen Partei so verstanden werden, der Sachverständige handele aus sachfremden Motiven, nämlich er wolle offensichtlich ihr schaden oder der gegnerischen Partei helfen, weil anders der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nicht zu erklären wäre.
[13] Das ist hier ersichtlich nicht der Fall. Die Äußerung des Sachverständigen zur etwaigen Kindeswohlgefährdung hat mit dem Ausgang des vorliegenden Arzthaftungsrechtsstreits nichts zu tun und bleibt auch ohne Folgen für das gewonnene Beweisergebnis.
[14] Davon zu trennen ist die weitere Frage, ob das Verhalten des Bf. die Ablehnung deswegen rechtfertigt, weil es, wie das LG zudem ausführt, einen unsachlichen Angriff gegen die Eltern der Kl. darstellt. Tatsächlich sind die Ausführungen des Sachverständigen nur unzureichend mit seiner Sorge um das zukünftige Wohl der Kl. zu rechtfertigen, denn die Kl. war zum Zeitpunkt der Gutachtenerstattung fast volljährig, ihr 18. Geburtstag stand wenige Monate bevor. Ein Verfahren nach § 1666 BGB wäre erkennbar sinnlos gewesen. Das Hauptmotiv des Bf. dürfte gewesen sein, das Gericht aus Anlass des konkreten Falls über die aus seiner Sicht bestehende Problematik zu informieren, ohne dies mit konkreten Folgen für die Prozessbeteiligten zu verknüpfen.
[15] Es dürfte durchaus fraglich sein, ob derartige obiter dicta, wenn sie keine weiteren Konsequenzen zeitigen, tunlich sind. Es gilt indessen, wie oben bereits ausgeführt, dass nicht jedes Verhalten, mag es auch prozesswidrig oder untunlich sein, mit dem Verdikt der Befangenheit zu belegen ist. Vielmehr ist zu fragen, ob die Prozesspartei aus diesem Verhalten den Schluss auf eine etwaige Voreingenommenheit ziehen darf. Dies ist aus Sicht des Senats zu verneinen.
[16] Zwar ist die Kritik des Sachverständigen an dem Gebaren der Eltern der Kl. durchaus geeignet von Letzteren als persönlicher Angriff gewertet zu werden, indessen besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Kritik des Sachverständigen der Kl. – obschon ihre Eltern betroffen sind – keinen Anlass gibt, anzunehmen, er wäre auch und gerade ihr gegenüber voreingenommen, denn die Kritik des Sachverständigen richtet sich gegen die Behandlung, welche die Eltern der Kl. haben angedeihen lassen, und ist erkennbar von der Sorge um das Wohlergehen der Kl. geleitet. Insofern unterscheider sich die vorstehend zu beurteilende Konstellation von jenen, in denen ein Sachverständiger die gesetzlichen Vertreter einer Partei kritisiert und die minderjährige Partei annehmen darf, der Unwille bzw. die Kritik des Sachverständigen gelte für sie gleichsam mit.
[17] Da bei der geboten differenzierten Betrachtung bereits ein Ablehnungsgrund nicht bestanden hat, muss der Senat die Frage, ob der Bf. grob fahrlässig gehandelt hat, nicht klären. …“
zfs 6/2020, S. 329 - 330