Neulich fiel vor meiner Kanzlei an der vielbefahrenen und noch von Trambahnen zusätzlich genutzten Kreuzung “Schweizer Platz‘ in Frankfurt-Sachsenhausen die Ampel aus. Unweigerlich war man an den von einer Mehrheit der Bevölkerung postulierten Ausfall der als Ampel bezeichneten Bundesregierung erinnert. Doch an der besagten Verkehrskreuzung stand ein klassischer Schutzmann mit langem weißen Regenmantel und weißen Handschuhen, der mit klaren und deutlich sichtbaren Handbewegungen den Verkehr regelte.
Und siehe da, ich habe noch selten eine so umsichtige und vorausschauende Fahrweise der Verkehrsteilnehmer erlebt, wie in dieser Situation. Vor allem wurde mit einer nie dagewesenen Höflichkeit die Einhaltung der Verkehrsregeln zelebriert. Da wurde weder, was sonst die Regel ist, verbotswidrig links abgebogen, es wurde nicht gehupt und keine Verbalinjurien aus dem heruntergekurbelten Autofenster in Richtung anderer Verkehrsteilnehmer gerufen.
Selbst die ansonsten doch sehr rustikal sich fortbewegenden Radfahrer gaben durch die vorbildliche Fahrweise zu verstehen, dass sie ganz genau wissen, was in der StVO steht und dass diese auch für sie Geltung hat.
Andererseits war ein solcher Ablauf für den Verkehrs- und Schadensrechtler ein Alptraum: Keine Blechschäden, kein blutender Radfahrer und keine Strafanzeigen wegen gezeigtem "Stinkefinger". Man merke, dass es immer auch Gewinner gibt, wenn sich andere bewusst, leichtfertig oder gedankenlos nicht an geltende Regeln halten. Und man stelle sich die Kreuzung bei Ausfall der Ampel o h n e den den Verkehr regelnden Schutzmann in der Mitte vor. Der Verkehr würde binnen weniger Sekunden komplett zum Erliegen kommen.
Warum erzähle ich das? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der von der Bevölkerung in täglichen Gesprächen gefühlte Ausfall der Ampel in der Bundesregierung zu genau eben jenem Erliegen des gesamtwirtschaftlichen "Verkehrs" führt. Jeder Minister und jede Ampelpartei scheint zuerst an sich und die hinter ihr stehende Wählerklientel zu denken. Die Folgen sind gravierend. Selbst namhafte, solide Firmen gehen vor allem wegen der sagenhaften Energiekosten und überbordender Bürokratie insolvent oder verlegen ihren Sitz ins Ausland. Bezahlbare Energie ist jedoch Grundvoraussetzung für Mobilität, von der auch die kleinen Leute nicht ausgeschlossen werden dürfen. Bereits an der Wurzel der individuellen Mobilität fängt das Übel an: Viele können sich den Erwerb eines Führerscheins schon nicht leisten, weil die Fahrstunden extrem teuer geworden sind. Ferner wird im Bereich der Mobilität an allen Ecken der Fachkräftemangel geklagt. Es fehlt an Lokführern sowie Bus- und Trambahnfahrern. Das führt dazu, dass Fahrpläne auch in Großstädten massiv ausgedünnt werden und parallel dazu trotzdem permanent Bahnen und Busse wegen Personalmangel ausfallen. Dazu kommt noch, dass auch qualifizierte KfZ-Werkstätten wegen Personalmangels Vorlaufzeiten für Reparaturen und Inspektionen von Minimum vier Wochen haben. Solange steht das Auto eben.
Die in einer modernen Wirtschaft notwendige Mobilität sieht anders aus. Und an dieser Stelle will die Frage erlaubt sein, warum ein doch maßgeblicher Teil des Nachwuchses nicht mehr bereit zu sein scheint, sich mit einer soliden Ausbildung zu quälen. Eine Kollegin, die eine Auszubildende suchte, erzählte mir, dass sie jemand vom Arbeitsamt geschickt bekommen hat, die ihr aber schon im Vorstellungsgespräch eröffnete, dass sie lieber Influencerin werden würde. Ein mir bekannter U-Bahnfahrer hat seinen Job gekündigt, weil er keinen Bock mehr auf Schichtdienst hat und selbst mit Bürgergeld gerade mal 180 EUR mehr verdient, was er jetzt "locker nebenbei kompensiert". Ja, Qualität hat auch etwas mit (sich) quälen zu tun. Leider sind auch da viele in der Ampel keine guten Vorbilder. Aber nur Qualität hält eine Gesellschaft erfolgreich am Laufen. So wünscht man sich einen wie den "Schutzmann", der im Rahmen sinnvoller Gesetze die Regierung und letztlich die Gesellschaft lenkt und dabei immer das Fortkommen und die Mobilität a l l e r im Blick hat.
Autor: Andreas Krämer
RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt am Main
zfs 6/2024, S. 301