[8] 2. Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht mit diesen Ausführungen in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat.
[9] a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfGE 88, 366, 375 f. m.w.N.).
[10] Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag. Zudem muss der Tatrichter, wenn er bei seiner Entscheidung eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will, den Parteien zuvor einen entsprechenden Hinweis erteilen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.11.2023 – VI ZR 244/21, MDR 2024, 227 Rn 13, 17 f.; v. 9.4.2019 – VI ZR 377/17, VersR 2019, 1033 Rn 9; v. 8.3.2016 – VI ZR 243/14, juris Rn 12; v. 13.1.2015 – VI ZR 204/14, NJW 2015, 1311 Rn 5 m.w.N.).
[11] b) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht.
[12] aa) Das Berufungsurteil stützt die teilweise Abweisung der Klage darauf, dass der Geschädigte gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 254 Abs. 2 BGB) verstoßen habe. Insoweit ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend, dass es im Falle einer die Arbeitskraft beeinträchtigenden Gesundheitsverletzung nach der ständigen Rechtsprechung des Senats als Ausfluss der Schadensminderungspflicht dem Verletzten im Verhältnis zum Schädiger obliegt, seine verbliebene Arbeitskraft in den Grenzen des Zumutbaren so nutzbringend wie möglich zu verwerten (vgl. nur Senatsurt. v. 24.1.2023 – VI ZR 152/21, VersR 2023, 519 Rn 11 m.w.N.). Voraussetzung für eine Kürzung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten wegen unzureichender Anstrengungen zur Aufnahme einer erneuten Erwerbstätigkeit ist demnach zunächst die Feststellung, dass und in welchem Umfang der Geschädigte nach der erfolgten Gesundheitsverletzung noch oder wieder arbeitsfähig ist. Insoweit ist der den Einwand aus § 254 Abs. 2 BGB erhebende Schädiger darlegungs- und beweispflichtig. Nur soweit in einem zweiten Schritt die Frage der Möglichkeit des Einsatzes der festgestellten verbliebenen Arbeitskraft in Rede steht, trifft den Geschädigten – bzw. den aus übergegangenem Recht vorgehenden Kläger – eine sekundäre Darlegungslast, wenn er einen Verdienstausfall als Schaden geltend macht. Nach der Senatsrechtsprechung hat der Verletzte, wenn er wieder arbeitsfähig oder teilarbeitsfähig ist, den Schädiger in der Regel über die für ihn zumutbaren Arbeitsmöglichkeiten und seine Bemühungen um einen angemessenen Arbeitsplatz zu unterrichten (vgl. Senatsurt. v. 24.1.2023 – VI ZR 152/21, VersR 2023, 519 Rn 13; v. 21.9.2021 – VI ZR 91/19, VersR 2021, 1583 Rn 21; v. 9.10.1990 – VI ZR 291/89, VersR 1991, 437, 438, juris Rn 16; v. 23.1.1979 – VI ZR 103/78, VersR 1979, 424, 425, juris Rn 13).
[13] bb) Das Berufungsgericht hat aus den von ihm festgestellten Tätigkeiten des Geschädigten nach dem Unfallereignis den Schluss gezogen, dass dieser ab dem 1.9.2012 – bis zum Umfang einer Vollbeschäftigung hin – arbeitsfähig war. Dabei hat es die in der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung des Hausarztes des Geschädigten vom 25.4.2021 sowie dem ärztlichen Befundbericht der ihn behandelnden Psychotherapeutin vom 11.5.2021 aufgeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (unter anderem Vorliegen einer rezidivierend depressiven Störung, Zustand nach posttraumatischem Belastungssyndrom, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren) als tatsächlich vorliegend unterstellt. Es teilt aber nicht die auf diesen Diagnosen beruhende Einschätzung der behandelnden Ärzte hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten. Der Hausarzt des Geschädigten war der Ansicht, dass aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen im Zeitraum vom 1.5.2012 bis 31.12.2016 keine Arbeitsfähigkeit im erwerbsrelevanten Umfang bestanden habe. Körperlich belastende Tätigkeiten hätten aufgrund der Hand- und Rückensituation und administrative Tätigkeiten wegen der eskalierenden psychischen Wirkung jeweils nur unter drei Stunden täglich durchgeführt werden können. Zumutbar seien kurzfristige Tätigkeiten im Rahmen von Minijobs mit leichter körperlicher Belastung, idealerweise in wechselnden Körperpositionen. Die Psychotherapeutin gelangte zu dem Ergebnis, dass aufgrund vorhandener und nicht reversibler psychischer Beeinträchtigungen für den Zeitraum von 2012 bis 31.12.2016 von einer anhaltenden Erwerbsunfähigkeit des Geschädigten auszugehen sei.
[14] Damit hat sich das Berufungsgericht medizinische Sachkunde bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Geschädigten ange...