“ … Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 84.835,20 EUR aus § 1 Abs. 1 S. 1, § 49 VVG geltend macht:
1. Die Beklagte ist nicht nach § 61 VVG leistungsfrei.
a) Dem Geschäftsführer M K, dessen Verschulden sich die Klägerin nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, kann grobe Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit dem Verlust der Tasche am 7.12.2005 nicht vorgeworfen werden.
Dabei kann dahinstehen, ob Geschäftsführer M K die Tasche – wie von der Klägerin behauptet – direkt neben sich oder – wie von der Beklagten vorgetragen – in einem Meter Entfernung abgestellt hatte. Er behielt die Tasche jedenfalls in seiner unmittelbaren Nähe. Durch die Mitnahme eines alten Fabrikats hatte er dafür gesorgt, dass sein Gepäck nicht als augenfällig lukrative Beute erschien, und so die Gefahr verringert, Opfer eines Diebstahls zu werden. Das Geschäftslokal war zur Straße hin abgeschlossenen. Dichtes Gedränge herrschte nicht. Auch wenn der Geschäftsführer M K keinen durchgehenden Körperkontakt zu der Tasche hielt, lässt sich unter diesen Umständen ein Vorwurf eines auch in subjektiver Hinsicht erheblich gesteigerten Verschuldens nicht begründen.
Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf r+s 2002, 483 betrifft einen ganz anders gelagerten Sachverhalt, der sich “im Herzen des Diamanten-Viertels von Antwerpen’ ereignete.
b) Ob der Versicherungsfall durch einfache Fahrlässigkeit des Geschäftsführers M K herbeigeführt wurde, bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn ihm ein Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zur Last zu legen wäre, befreite dies die Beklagte nicht von ihrer Leistungspflicht. Entgegen der Auffassung des LG haben die Parteien mit der Klausel 7.1 für die Leistungsfreiheit wegen Herbeiführung des Versicherungsfalls keinen verschärften Sorgfaltsmaßstab vereinbart. Eine solche dem Versicherungsnehmer nachteilige Regelung lässt sich der Klausel, die jedenfalls dem Wortlaut nach zur Frage der Leistungsfreiheit schweigt, im Rahmen der gebotenen Auslegung nicht entnehmen; sollte sie gleichwohl auch als Bestimmung einer Leistungsfreiheit bereits bei fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls verstanden werden können, so käme sie wegen § 305c Abs. 2 BGB mit diesem Gehalt nicht zu Anwendung; jedenfalls aber wäre sie in ihren dem Versicherungsnehmer nachteiligen Folgen nicht klar und verständlich, weshalb sie gem. § 307 Abs. 1, § 310 Abs. 1 BGB unwirksam wäre.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen des Versicherers. Dieser Charakter der Versicherungsbedingungen bestimmt die bei ihrer Auslegung anzuwendenden Maßstäbe; er hindert es, sie “gesetzesähnlich’ auszulegen. Vielmehr sind – nach der gefestigten Rspr. des BGH und des Senats – Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Für eine an diesen Grundsätzen orientierte Auslegung ist nicht maßgeblich, was sich der Verfasser der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorstellte. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung – wie auch sonst bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen – außer Betracht zu bleiben; versicherungswirtschaftliche Überlegungen können allenfalls insoweit Berücksichtigung finden, wie sie sich aus dem Wortlaut der Bedingungen für den verständigen Versicherungsnehmer unmittelbar erschließen (BGH NJW-RR 2000, 1341 m.w.N.).
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, der bei einer Transport-, Reise- und Warenlagerversicherung regelmäßig Kaufmann sein wird, entnimmt der Klausel 7.1, dass im Verhältnis zum Versicherer an sein Verhalten die erhöhten Sorgfaltsanforderungen eines ordentlichen Kaufmanns in seinem Geschäftszweig gestellt werden. Er erkennt dabei, dass von ihm nicht lediglich die im Verkehr allgemein erforderliche Sorgfalt erwartet wird, sondern dass bei ihm ein strengerer Maßstab angelegt wird und ein Bestand an berufsspezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten vorausgesetzt wird. Regelmäßig wird er wissen, dass ein solcher Sorgfaltsmaßstab an ihn auch bei seinen sonstigen Handelsgeschäften angelegt wird (§ 347 HGB). Dass sich durch eine solche Bestimmung – anders als in seinem sonstigen Geschäftsbereich (§ 347 Abs. 2 HGB) – eine Verschärfung seiner Verantwortlichkeit in den Bereichen ergibt, in denen regelmäßig nur für grobes Verschulden einzustehen ist, erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer anhand des Wortlauts und dem ihm erkennbaren Sinnzusammenhang nicht. Auch die Überschrift der Klausel 7.1 stellt keinen Bezug zu einer Leistungsfreiheit wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls her. Die...