[10] “a) Gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei oder im Falle der Antrags- oder Klagerücknahme der Antragsteller oder Kläger (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO) dem Gegner die diesem erwachsenden Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Die Kosten einer Schutzschrift zur Verteidigung gegen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird; dies gilt auch dann, wenn der Antrag nach Einreichung der Schutzschrift abgelehnt oder zurückgenommen wird (BGH, Beschl. v. 23.11.2006, GRUR 2007, 727 Tz. 15 = WRP 2007, 786 – Kosten der Schutzschrift II).
[11] b) Die Höhe der Gebühr richtet sich vorliegend nach Nr. 3100 und Nr. 3101 RVG VV. Die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 entsteht nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 2 RVG VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Sie ermäßigt sich nach Nr. 3101 RVG VV auf eine 0,8-fache Gebühr, wenn der Auftrag sich erledigt, bevor der Rechtsanwalt die Klage, den ein Verfahren einleitenden Antrag oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat.
[12] Die Voraussetzungen der Ermäßigung der 1,3-fachen Verfahrensgebühr der Nr. 3100 RVG VV liegen im Streitfall nicht vor. Die Schutzschrift der Antragsgegnerin enthielt bereits Sachvortrag i.S.d. Nr. 3101 RVG VV. Davon ist auszugehen, wenn die Schutzschrift Tatsachen- oder Rechtsausführungen zur Sache und nicht nur Verfahrensanträge enthält (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., 3101 VV Rn 13; Keller, in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl., VV Teil 3 Abschn. 1 Rn 24). Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 3101 RVG VV scheidet dann aus (OLG Nürnberg NJW-RR 2005, 941; OLG Düsseldorf AGS 2006, 489; OLG München AGS 2007, 557; Hartmann, a.a.O., 3101 VV Rn 13; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl., Anh. II Rn 127; Bischof, in: Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., Nr. 3101 VV Rn 27; a.A. OLG Hamburg MDR 2005, 1196; OLG Frankfurt OLG-Rep 2006, 793; N. Schneider, in: Gebauer/Schneider, RVG, 3. Aufl., § 11 Rn 79; Keller, in: Riedel/Sußbauer, a.a.O., VV Teil 3 Abschn. 1 Rn 26).
[13] aa) Unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung entsprach es allerdings der ganz überwiegenden Meinung, dass der Gebührenanspruch nach § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine halbe Gebühr umfasste, wenn der Auftrag zu einem Zeitpunkt endete, zu dem der Rechtsanwalt lediglich eine Schutzschrift bei Gericht eingereicht hatte. Die in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift enthaltenen Anträge waren keine Sachanträge i.S.d. § 32 Abs. 1 BRAGO (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2003, GRUR 2003, 456 = WRP 2003, 516 – Kosten der Schutzschrift I, m.w.N.).
[14] bb) Mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ist gegenüber der Rechtslage unter Geltung der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung eine Erweiterung des Katalogs in Nr. 3101 RVG VV, bei dem eine Ermäßigung des Gebührentatbestandes bei Auftragsbeendigung ausscheidet, um Schriftsätze, die Sachvortrag enthalten, eingeführt worden. Damit sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Anwendungsbereich der Nr. 3101 RVG VV gegenüber § 32 Abs. 1 BRAGO auf Verfahren ohne besondere Sachanträge, und zwar insbesondere auf FGG-Verfahren, ausgedehnt worden ist (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drucks 15/1971, 211). Die damit verbundene Anwendung der Bestimmung mit der Folge des Ausschlusses der Gebührenermäßigung bei einem Schriftsatz mit Sachvortrag ohne einen Sachantrag auch in Streitverfahren ist im Gesetzgebungsverfahren als sachgerecht angesehen worden (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf a.a.O., 211). Diese Änderung der Rechtslage in Nr. 3101 RVG VV gegenüber § 32 Abs. 1 BRAGO hat zur Folge, dass eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen ist, wenn der Auftrag endet, nachdem die Schutzschrift, die Sachvortrag enthält, bei Gericht eingereicht und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt worden ist. Den Sachvortrag muss das Gericht, wenn ihm die Schutzschrift zur Kenntnis gelangt, bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigen (BGH GRUR 2003, 456 – Kosten der Schutzschrift I). Der Sachvortrag in einer vorsorglich eingereichten Schutzschrift unterscheidet sich zwar von einer Entgegnung auf den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung dadurch, dass er unter Umständen auf Vermutungen über den Inhalt der Antragsschrift angewiesen ist, die er zu entkräften sucht. Nach der Neuregelung der Nr. 3101 RVG VV rechtfertigt dies aber nicht die unterschiedliche Behandlung des Vortrags in einer Schutzschrift und des Vortrags in einer Antragsentgegnung im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der Sachvortrag in der Schutzschrift ebenfalls vom Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu berücksichtige...