„Das Argument der Bekl., eine Einigungsgebühr könne in einem bloßen Beratungsfall nicht mehr anfallen, weil die Beratungsgebühr nunmehr nicht mehr im Vergütungsverzeichnis zum RVG geregelt, sondern in § 34 RVG niedergelegt sei, überzeugt nicht. Zwar ist der Bekl. zuzugeben, dass in der Vorbem. 1 VV RVG steht:
Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren.
Hierbei ist jedoch nach Auffassung des Gerichts schon nicht ausgeschlossen, dass damit nur die anderen Teile des Vergütungsverzeichnisses gemeint sein sollen und nicht andernorts im Gesetz festgehaltene Gebühren, zu denen auch die Beratungsgebühr zählt.
Es liefe nämlich dem Gesetzeszweck zuwider, wenn der Anwalt in dem Fall, in dem seine Beratungstätigkeit eine Erledigung herbeiführt, für die Herbeiführung dieser Erledigung nicht hinreichend entlohnt würde. In der Drucksache 15/1971 des Deutschen Bundestages finden sich als Schwerpunkte der geplanten Reform, die im entsprechenden Gesetzentwurf festgehalten sind, dass die außergerichtliche Erledigung zum Beispiel durch eine Umgestaltung der bisherigen Vergleichsgebühr zu einer Einigungsgebühr für jede Form der vertraglichen Streitbeilegung gefördert werden soll. Der Gesetzgeber beabsichtigte auch, dass durch den Verzicht fester Gebühren für die Beratungstätigkeit der Abschluss von Gebührenvereinbarungen gefördert werden soll. Gleichzeitig sollte eine angemessene Erhöhung der Einnahmen der Anwaltschaft erfolgen (siehe insgesamt hierzu den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, Drucksache 15/1971 des Deutschen Bundestages). Auch wenn generell der Abschluss einer Vergütungsvereinbarung gefördert werden soll, ist dies nicht zwingend. Viele Anwälte entschließen sich möglicherweise grds. dazu, keine Vergütungsvereinbarung zu treffen. Diese Anwälte sollen dennoch für ihre Bemühungen, auf eine außergerichtliche Einigung hinzuwirken, angemessen entlohnt werden. Denn die Stärkung der außergerichtlichen Einigung, die offensichtlich mit dem Gesetzentwurf auch bezweckt war, fordert, dass solche Tätigkeiten stets angemessen entlohnt werden müssen. Nur so wird ein Anreiz für die Anwälte geschaffen, vorgerichtliche Einigungen zu fördern, was letztlich der Justiz insgesamt zugute kommt.
Auch in der Literatur wird dieser Ansatz weitestgehend vertreten. Schneider, NJW 2006, 1905 stellt ebenfalls dar, dass in dem Fall, in dem die Beratungsgebühr abgerechnet und eben keine umfassende Gebührenvereinbarung getroffen wird, die weiteren Gebührentatbestände daneben Anwendung finden. Kommt es zu einer Einigung, soll der Anwalt die Einigungsgebühr Nr. 1000 VV zusätzlich verdienen (Mayer/Kroiß-Teubel/Winkler, RVG, 4. Aufl. 2009, § 34 Rn 45; Mayer/Kroiß-Klees, a.a.O., Nr. 1000 VV Rn 2) Klees führt ausführlich aus, aus welchen Gründen neben der Beratungsgebühr die Einigungsgebühr von Nr. 1000 VV ebenfalls weiter bestehen müsse. Auch er stellt darauf ab, dass es Intention des Gesetzgebers war, die Justiz zu entlasten und dies insb. durch entsprechende Honorierung außergerichtlicher Einigungen erreicht werden sollte. Eine Gebührenvereinbarung ist unstreitig zwischen der Bekl. und ihrem Prozessbevollmächtigten nicht geschlossen worden, sodass nicht zu fragen ist, ob durch die Gebührenvereinbarung die separate Anwendung der Einigungsgebühr ausgeschlossen werden sollte.
Auch die Tatsache, dass in der Literatur offenbar überwiegend die Ansicht vertreten wird, dass die Erhöhungsgebühr nach 1008 VV RVG nicht auf die Beratungsgebühr anwendbar sein dürfte, widerspricht dieser Auslegung nicht. In der Nr. 1008 ist ausdrücklich festgehalten, dass sich bei mehreren Auftraggebern die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3 oder 30 % erhöhe. Schon aufgrund der genauen Bezeichnung der Gebührenarten ist hier die Beratungsgebühr ausgeschlossen, unabhängig von der Vorbem. 1 VV RVG.
Soweit die Bekl. bemängelt, dass die Abrechnung der klägerischen Vertreter systemwidrig sei, kann dieser Einwand nicht verfangen. Die Klägervertreter haben für die Beratung eine Summe von 190 EUR ausgewiesen. Dies ist die untere Grenze, die für eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG anfällt. Zwar ist es richtig, dass sie die Angabe 0,65 vor die Summe 190 EUR gesetzt haben, was verwirrend ist. Sie haben jedoch auch die Norm 34 Abs. 1 RVG angegeben, sodass hinreichend klar ist, was abgerechnet wird. Da die Einigungsgebühr neben der Beratungsgebühr anzusetzen ist, ist auch nicht insgesamt die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Höhe der Beratungsgebühr zu kappen.“
eingesandt von RA Dr. Jens- Olaf Buhr, Bad Bramstedt