Der Entscheidung ist zuzustimmen.

I. Einigungsgebühr neben Beratungsgebühr

Dem mitgeteilten Sachverhalt ist leider nicht zu entnehmen, in welcher Weise die Anwälte der Kl. am Abschluss des Einigungsvertrages mitgewirkt haben. Für den Anfall der Einigungsgebühr genügt es jedoch, wenn die Anwälte der Kl. geraten hatten, einen von ihrem Vertragspartner vorgeschlagenen Vergleichsvorschlag anzunehmen und die Kl. dann selbst ohne anwaltliche Mitwirkung den Vergleich geschlossen hätte (siehe Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Nr. 1000 VV RVG Rn 259).

Der Streit um den Anfall der Einigungsgebühr im Rahmen eines Beratungsmandates ist auf die derzeitige Fassung des RVG zurückzuführen. In Vorbem. 1 VV RVG heißt es:

"Die Gebühren dieses Teils entstehen neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren."

Dies lässt auf den ersten Blick den Schluss zu, auf den sich auch die bekl. Rechtsschutzversicherung bezogen hatte, dass die in Teil 1 VV RVG geregelte Einigungsgebühr nur neben den in den anderen Teilen des VV RVG geregelten Gebühren anfallen kann, nicht hingegen auch neben den Gebühren im Paragrafenteil des RVG. Dass dem so nicht ist, zeigt die Gesetzesgeschichte. Bis zum 30.6.2006 war die Beratungsgebühr nämlich in den Nrn. 2100 ff. VV RVG a.F. geregelt und somit in Teil 2 VV RVG. Mit Wirkung zum 1.7.2006 hat der Gesetzgeber die bisherige Regelung der Beratungsgebühr aufgegeben und die Vergütung für Beratung, Gutachten und Mediation nunmehr in § 34 RVG geregelt. Der Gesetzgeber verweist den Rechtsanwalt für diese Tätigkeiten in § 34 Abs. 1 S. 1 RVG auf den Abschluss einer Gebührenvereinbarung. In den Folgesätzen hat der Gesetzgeber die Vergütung geregelt, die anfällt, wenn der Rechtsanwalt keine Vereinbarung getroffen hat. In § 34 Abs. 1 S. 3 letzter HS RVG ist bestimmt, dass der Rechtsanwalt für ein erstes Beratungsgespräch höchstens 190 EUR berechnen kann, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist. Die Rechtsanwälte in dem vom AG Neumünster entschieden Fall hatten die Berechnung der Gebühr für die Beratung i.H.v. 190 EUR offensichtlich auf diese Vorschrift gestützt. Bei der Aufhebung der Nrn. 2100 ff. VV RVG a.F. und der Verlagerung der Gebühren für Beratung, Gutachten und Mediation in den Paragrafenteil des RVG hat der Gesetzgeber vergessen, die Vorbem. 1 VV RVG entsprechend anzupassen. Gleichwohl ist nichts dafür ersichtlich, dass für die Gesetzesfassung bis zum 30.6.2006 neben der Beratungsgebühr auch die Einigungsgebühr berechnet werden konnte, während dies für Aufträge ab dem 1.7.2006 nicht der Fall sein sollte. Zutreffend hat das AG Münster deshalb auch neben der Gebühr für die Beratung nach der Neufassung des § 34 Abs. 1 RVG auch die Einigungsgebühr zugebilligt.

II. Höhe der Gebühr für Beratung

Allerdings sind die Ausführungen des AG nicht ganz zutreffend, die berechnete Beratungsgebühr von 190 EUR sei "die untere Grenze, die für eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG anfällt". Demgegenüber beträgt die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 S. 3 letzter HS RVG höchstens 190 EUR. Das Gesetz schließt somit Beratungsgebühren unterhalb dieses Betrages nicht aus. Die praktischen Auswirkungen dieser Regelung sind beispielsweise der Entscheidung des LG Ravensburg RVGreport 2006, 355 = AnwBl. 2006, 677 = NJW 2006, 2930 zu entnehmen. In jenem Fall hatten die Rechtsanwälte Beratungen in allen Angelegenheiten für Verbraucher für einen Pauschalpreis von 20 EUR einschließlich Umsatzsteuer angeboten. Das LG Ravensburg hat dies als wettbewerbswidrig angesehen.

III. Einigungsgebühr entsteht nie allein

Die Einigungsgebühr entsteht dem Rechtsanwalt nie als einzige Gebühr. Diese ist eine Erfolgsgebühr, die eine ursächliche Mitwirkung des Anwalts beim Abschluss eines Einigungsvertrages erfordert. Daneben wird der Rechtsanwalt im Regelfall auch das Geschäft des Mandanten betreiben. Erfolgt dies im Rahmen eines Vertretungsauftrages, entsteht dem Anwalt neben der Einigungsgebühr die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 ff. VV RVG (siehe Abs. 3 der Vorbem. zu Punkt 3 VV RVG). Hatte der Rechtsanwalt demgegenüber einen Auftrag zur Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren, entsteht neben der Einigungsgebühr eine der in Teil 3 VV RVG geregelten Verfahrensgebühren (siehe Abs. 2 der Vorbem. 3 VV RVG). Fällt die Einigungsgebühr – wie im vom AG Neumünster entschiedenen Fall – im Rahmen eines Beratungsmandats an, entsteht daneben noch die Gebühr für die Beratung.

Heinz Hansens

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?