II. Die Berufung der Beklagten führt zur Absenkung des bezifferten Verdienstausfallschadens (dazu unter 1.) und zur Abweisung des Klagantrags hinsichtlich des Feststellungsbegehrens (dazu unter 3.), auf die Berufung des Klägers ist ein höherer Schmerzensgeldbetrag zuzuerkennen (dazu unter 2). Im Übrigen bleiben beide Berufungen ohne Erfolg und unterliegen der Zurückweisung.
1) Materieller Schadensersatz
Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz von Verdienstausfall für den Zeitraum vom 23.8.2014 bis zum 31.3.2015 aus § 7 StVG, §§ 823 Abs. 1, 843, 249 ff., 252 BGB, § 115 VVG in Höhe von 8.772,01 EUR zuzüglich Zinsen zu. Der weitergehende Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfallschadens ist mangels Nachweises eines unfallbedingten Dauerschadens unbegründet.
Auch wenn die Beklagte umfassend Berufung eingelegt hat, geht aus ihrer Begründung hervor, dass sie die Unfallbedingtheit der psychiatrischen Erkrankung des Klägers bis Ende März 2015 nicht mehr in Abrede stellt. Soweit das Landgericht eine darüberhinausgehende Unfallbedingtheit bis Ende 2016 (also für den gesamten bezifferten Zeitraum) angenommen hat, ist die Berufung der Beklagten erfolgreich (dazu unter a). Abzüge bei der Schadenhöhe ergeben sich auch aufgrund von Fehlern in der Berechnung (dazu unter b).
a) Keine Unfallbedingtheit der Erwerbsunfähigkeit ab April 2015
Aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist zu schließen, dass der Kläger nur bis Ende März 2015 unfallbedingt erwerbsunfähig war. Die zeitlich nachfolgende Berufs- und Arbeitsunfähigkeit hat andere, unfallunabhängige Ursachen, die auf die spezifische Vulnerabilität des Klägers zurückzuführen sind, deren klinische Zeichen bereits vor dem Unfall vorhanden waren.
Für die Beurteilung des Vorliegens der Erkrankung über März 2015 hinaus gilt das Beweismaß des § 287 ZPO. Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs ist zwischen der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität zu unterscheiden. Während die haftungsbegründende Kausalität den Kausalzusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und der Rechtsgutverletzung betrifft, d.h. dem ersten Verletzungserfolg (Primärverletzung), bezieht sich die haftungsausfüllende Kausalität auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen der primären Rechtsgutverletzung und – hieraus resultierenden – weiteren Gesundheitsschäden des Verletzten (Sekundärschäden). Für den Sekundärschaden gilt das erleichterte Beweismaß des § 287 ZPO, d.h. zur Überzeugungsbildung kann eine hinreichende bzw. überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2019, VI ZR 113/17, r+s 2019, 353, 354).
Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine jedenfalls für einen gewissen Zeitraum vorliegende Unfallbedingtheit der psychischen Beeinträchtigung des Klägers im zweiten Rechtszug unstreitig geworden ist. Die Beklagte hatte bereits gegen das erste Urteil des Landgerichts vom 10.9.2020, das eine "Akute Belastungsreaktion" (F43.0 nach ICD10) und nachfolgend eine "Anpassungsstörung (F43.2)" bis zum 31.12.2014 angenommen hatte, keine Berufung eingelegt. Nunmehr beruft sie sich mit der Begründung ihrer Berufung ausdrücklich darauf, dass jedenfalls über Ende März 2015 hinaus keine Unfallbedingtkeit mehr anzunehmen sei. Sie akzeptiert somit, dass eine psychische Reaktion des Klägers infolge des Unfalls zumindest bis Ende März 2015 eingetreten ist. Dies ist dann auch vom Senat – mangels entsprechender Berufungsangriffe – der Entscheidung zugrunde zu legen. Nach dem Gutachten der Sachverständigen L. hat der Kläger neben der Rippenfraktur lediglich ein "leichtes Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades ohne Folgeerkrankungen" sowie psychisch zunächst eine "Akute Belastungsreaktion" mit einer nachfolgenden "Anpassungsstörung" erlitten, die bis längstens Ende März 2015 wieder abgeklungen war.
Ob die psychische Beeinträchtigung unfallbedingt über Ende März 2015 hinaus andauert, ist eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität, die dem Beweismaß des § 287 ZPO unterworfen ist. Wegen der psychischen Vorbelastung des Geschädigten gilt zunächst der Grundsatz, dass der Schädiger auch für eine psychische Fehlverarbeitung einzustehen hat, wenn eine hinreichende Gewissheit besteht, dass die psychisch bedingten Ausfälle ohne den Unfall nicht eingetreten wären. Eine unfallbedingte Mitverursachung reicht insoweit aus.
Die Zurechnung solcher Schäden scheitert nicht daran, dass der Verletzte infolge körperlicher oder seelischer Dispositionen besonders schadensanfällig ist, weil der Schädiger keinen Anspruch darauf hat, so gestellt zu werden, als habe er einen bis dahin Gesunden verletzt (OLG Schleswig, Urt. v. 10.1.2019, 7 U 74/13, SVR 2020, 24, 26).
Die Kausalität psychischer Beeinträchtigungen wegen psychischer Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens wird in drei Fallgruppen unterteilt, die im Grundsatz höchstrichterlich anerkannt sind.
Dies ist zum einen der Fall, wenn der Geschädigte den Unfall in einem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, um den Schwi...