Die Kl. nimmt den Beklagten auf vermeintlich rückständige Prämien aus einer privaten Krankenversicherung für den Zeitraum von März 2021 bis einschließlich Dezember 2021 in Anspruch. Der Bekl. wendet ein, die Krankenversicherung wirksam gekündigt zu haben. Diese Rechtsverteidigung bietet nach dem bisherigen Sach- und Streitstand hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Der Bekl. hat den Versicherungsvertrag wirksam zum 28.2.2021 gekündigt.
a) Unstreitig hat der Bekl. den Versicherungsvertrag mit Kündigungsschreiben vom 29.7.2020 gekündigt, wobei von ihm eine Kündigung mit Wirkung zum 1.10.2020 gewünscht war. Hierbei handelte es sich um eine ordentliche Kündigung gem. § 205 Abs. 1 VVG (siehe § 13 Abs. 1 AVB).
Der Umstand, dass die Kündigung wegen der Kündigungsfrist des § 205 Abs. 1 Satz 1 VVG nur zum 28.2.2021 Wirkung entfalten konnte, steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Die Klärung der Streitfrage, ob und bejahendenfalls unter welchen Voraussetzungen eine zum Wunschzeitpunkt unwirksame Kündigung in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet werden kann (siehe dazu Langheid/Wandt/Fausten, VVG, 3. Aufl. 2022, § 11 Rn 138 ff.), kann nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kl. mit ihrem Schreiben vom 10.8.2020 die Kündigung nicht wegen eines zu frühen Beendigungszeitpunkts, sondern allein wegen der bislang fehlenden Bescheinigung des Nachfolgeversicherers zurückgewiesen und überdies ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die Kündigung (nur) dann unwirksam würde, wenn die Bescheinigung nicht bis zum 28.1.2021 (richtig: 28.2.2021) nachgereicht würde.
Damit ist für das Prozesskostenhilfeverfahren davon auszugehen, dass die vom Beklagten erklärte Kündigung zumindest im Falle der Wahrung der Nachweispflicht mit Ablauf der gesetzlichen Frist Wirkungen zeitigen sollte. Dass die Kündigung der nach § 208 Satz 2 VVG vereinbarten Form entbehrt hätte, ist von keiner Partei geltend gemacht worden.
b) Die Wirksamkeit der Kündigung entfiel nicht gem. § 205 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 VVG (siehe § 13 Abs. 6 AVB). Hiernach kann der VN eine Versicherung, die eine Pflicht aus § 193 Abs. 3 Satz 1 erfüllt, nur dann nach § 205 Abs. 1 bis Abs. 5 VVG kündigen, wenn er bei einem anderen VR für die versicherte Person einen neuen Vertrag abschließt, der dieser Pflicht genügt. Die Kündigung wird nur wirksam, wenn der VN innerhalb von zwei Monaten nach der Kündigungserklärung nachweist, dass die versicherte Person bei einem neuen VR ohne Unterbrechung versichert ist; liegt der Termin, zu dem die Kündigung ausgesprochen wurde, mehr als zwei Monate nach der Kündigungserklärung, muss der Nachweis (erst) bis zu diesem Termin erbracht werden. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:
aa) Der Bekl. ist unstreitig seit dem 1.3.2021 Mitglied der AOK und hat damit seiner Versicherungspflicht aus § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG genügt. Wie der ausdrückliche Verweis in § 205 Abs. 6 Satz 1 VVG auf das Sonderkündigungsrecht des § 205 Abs. 2 bei Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht belegt, muss mit "Abschluss eines neuen Vertrags" im Sinne der erstgenannten Vorschrift auch der Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung gemeint sein, wenn – wie hier – ein privater Krankenversicherungsvertrag nach § 205 Abs. 1 VVG ordentlich gekündigt wurde und erst während der laufenden Kündigungsfrist die gesetzliche Versicherungspflicht zur Entstehung gelangt.
Soweit die Kl. in § 13 Abs. 6 AVB insofern Abweichendes geregelt hat, als dort – entgegen dem Gesetz – nicht auch auf das die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung betreffende Sonderkündigungsrecht (§ 13 Abs. 3 AVB) verwiesen wird, dürfte dies gegen den halbzwingenden § 206 Abs. 6 Satz 1 VVG verstoßen (vgl. § 208 Satz 1 VVG; siehe zu der Problematik Langheid/Wandt/Hütt, VVG, 2. Aufl. 2017, § 205 Rn 58). Jedenfalls kann auch diese Rechtsfrage nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
bb) Ob die Nachweispflicht des § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG in dem Fall, dass – wie hier – die Anschlussversicherung nicht in der privaten, sondern aufgrund Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung genommen wird, eingreift (ablehnend Brand in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2020, § 205 Rn 34: teleologische Reduktion und Vorrang der hinsichtlich der Fristen großzügigeren Nachweismöglichkeiten des § 205 Abs. 2 Satz 2 VVG), kann dahinstehen, weil der Bekl. dem Fristenregime des § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG genügt hat.
Gem. § 205 Abs. 6 Satz 2 VVG war – weil der Beendigungstermin zum Zeitpunkt der Aussprache der Kündigung mehr als zwei Monate in der Zukunft lag – der Nachweis über die Nachfolgeversicherung erst zum 28.2.2021 zu erbringen. Die Kl. hätte die Kündigung des Bekl. deshalb nicht, wie indes mit Schreiben vom 10.8.2020 geschehen, wegen fehlender Belege zurückweisen dürfen.
Der Bekl., der die Folgeversicherung der Kl. unter dem 11.2.2021 angezeigt hatte, hat seiner Anzeigeobliegenheit mithin fr...