StGB § 316 § 69; StPO § 318 S. 1
Leitsatz
1. Die Beschränkung der Berufung auf den Gesichtspunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis ist wirksam, wenn die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem inneren Zusammenhang des angefochtenen Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen.
2. Das Führen eines Motorbootes in alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit kann nicht zur Entziehung der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr führen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Brandenburgisches OLG – Schifffahrtsobergericht –, Urt. v. 16.4.2008 – 1 Ss 21/08
Sachverhalt
Das AG Brandenburg an der Havel – Schifffahrtsgericht – hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 75 EUR verurteilt; von der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB hat das Gericht abgesehen. Das Schifffahrtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 28.4.2007 führte der Angeklagte als Eigentümer des Sportmotorbootes ,Neue Fahrt’ mit 4 Freunden von Berlin kommend eine Bootsfahrt zum Baumblütenfest nach Werder durch. Auf dem Baumblütenfest erwarb die Gruppe um den Angeklagten mehrere Flaschen Obstwein, die im Rahmen der Feierlichkeiten geleert wurden."
Am späten Nachmittag machte sich die Gruppe auf die Rückfahrt nach Berlin, wobei der Angeklagte das Boot, das er zwei Wochen zuvor erworben hatte, führte. Der Angeklagte wusste um seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit. Gegen 17:40 Uhr führte er das Boot auf der Potsdamer Havel in Höhe von Kilometer 25,2 in der Ortslage Potsdam. Die Untersuchung der ihm am selben Tage um 18:21 Uhr entnommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,57 mg/g.“
Zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis führt das Gericht aus:
"Entgegen dem Antrag der Staatsanwaltschaft sah sich das Gericht nicht veranlasst, die Fahrerlaubnis des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entziehen. Die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB greift bei Kraftfahrzeugen mit Sportboote im Gegensatz zu Verstößen im Straßenverkehr nicht (vgl. Tröndle/Fischer, 54. Aufl. 2007, § 69 StGB, Rn 25). …"
Über den Umstand der bewussten absoluten Fahruntüchtigkeit hinausgehend waren in der Hauptverhandlung keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich, die auf eine charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen hindeuten und damit eine Entziehung nach § 69 Abs. 1 StGB eröffnen würde. Vielmehr hat der Angeklagte einen außerordentlich verständigen Eindruck gemacht. Das Gericht ist überzeugt davon, dass er, zumal gut 7 Monate nach Tatbegehung, zukünftig weder Fahrzeuge im Straßenverkehr noch im Schifffahrtsverkehr alkoholisiert führen wird.
Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des AG verwirft das OLG.
Aus den Gründen
“ … II. 1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist die Beschränkung der Berufung auf den Gesichtspunkt der Entziehung der Fahrerlaubnis wirksam (§ 318 S. 1 StPO). Die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis kann nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbstständig beurteilt werden, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (vgl. dazu BGHSt 27, S. 70, 72; BGHSt 29, S. 359, 364). Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB ist nach Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB), die ihre Rechtfertigung aus dem Sicherheitsbedürfnis der Straßenverkehrsgemeinschaft bezieht.
Dieses ist bedingt durch die hohen Risiken, die der Straßenverkehr infolge seiner Dynamik für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer mit sich bringt (vgl. BVerfGE 99, S. 249, 250; BGHSt (Gs) 50, S. 93, 98 f. [= zfs 2005, 464]). Diese Risiken werden durch körperlich, geistig, ebenso aber auch durch charakterlich ungeeignete Kraftfahrer verstärkt; dem soll durch den Ausschluss des Betreffenden von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr entgegengewirkt werden. Als Maßregel der Besserung und Sicherung fehlt § 69 StGB jeglicher Strafcharakter und steht damit beispielsweise nicht in Wechselwirkung zu der erkannten (Geld-)Strafe.
Auf Grund der danach wirksamen Rechtsmittelbeschränkung sind der Schuldspruch und der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils rechtskräftig und zusammen mit den sie tragenden Feststellungen für den Senat bindend geworden.
2. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg; das AG hat zu Recht von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen. Vorliegend ist zu differenzieren zwischen der Erlaubnis zum Führen von "Sportbooten mit Antriebsmaschine" auf Binnenschifffahrtsstrafen (Sportbootführerschein-Binnen) (vgl. § 1, 2 der Verordnung über das Führen von Sportbooten auf den Binnenschifffahrtsstraßen – SportbootFüV-Bin – in der Fassung vom 22.3.1989, BGBl I, S. 536 ff.) und der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr (§§ 4 ff. Fa...