Nicht selten sind Fahrer eines Kraftfahrzeugs an einem Unfallgeschehen beteiligt, obwohl sie nicht über die zulässige Fahrerlaubnis verfügt haben. Selbst wenn sie sich – bis auf das Fehlen der Fahrerlaubnis – vollkommen verkehrsgerecht verhalten haben, ergibt dieser Umstand regelmäßig Streit darüber, ob und wie dies im Rahmen der Haftungsabwägung zu berücksichtigen ist. Im Ergebnis wird dieser Umstand richtigerweise kaum eine Rolle spielen.
In die Abwägung nach § 254 BGB, § 9 StVG sind der Rechtsprechung des BGH (VI ZR 115/05, NJW 2007, 506) folgend alle, aber auch nur diejenigen unstreitigen oder erwiesenen Faktoren einzubeziehen, die eingetreten sind, zur Entstehung des Schadens beigetragen haben und einem der Beteiligten zuzurechnen sind. Danach kann die Tatsache, dass ein Unfallbeteiligter ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, nur dann zu berücksichtigen sein, wenn feststeht, dass sich dieser Umstand in dem Unfall tatsächlich ausgewirkt hat. Eine abstrakte Gefahrerhöhung dadurch, dass z.B. eine zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignete Person während der Sperrfrist ein Kraftfahrzeug führt, kann nicht berücksichtigt werden, erhöht für sich genommen noch nicht einmal die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs.
Ist also ein Verschulden eines Kraftfahrers ohne Fahrerlaubnis nicht erwiesen, ist die fehlende Fahrerlaubnis überhaupt nicht bei der Haftungsabwägung zu berücksichtigen. Da die Betriebsgefahr nicht erhöht ist, sind auch nicht die Voraussetzungen zum Zurücktreten dieser hinter dem Verschulden des Unfallgegners erhöht. Kollidieren zwei Kraftfahrzeuge und ein Verschulden beider ist nicht erweislich, verbleibt es ebenso bei einer hälftigen Haftungsverteilung, jedenfalls ist die Betriebsgefahr des Fahrzeugs, welches von einem führerscheinlosen Fahrer geführt wurde, auch in diesem Fall nicht erhöht. Eine "abstrakte Gefahrerhöhung" ist nicht zu berücksichtigen (BGH a.a.O.).
Dass der Kraftfahrzeugführer wegen fehlender oder entzogener Fahrerlaubnis das Fahrzeug gar nicht erst führen durfte, ist insoweit ohne Belang. Maßgebend ist vielmehr, ob sich eine Fahruntüchtigkeit als Gefahrenmoment in dem Unfall niedergeschlagen hat.
Selbst wenn ein Verschulden desjenigen, der ohne Fahrerlaubnis gefahren ist, feststeht, wäre die Frage, ob hierfür die fehlende Fahrerlaubnis mitgewirkt hat, entscheidungsunerheblich. Denn auch wenn diese Frage im Ergebnis zu bejahen sei, so wird bereits das darauf beruhende Verschulden (Fahrfehler) berücksichtigt. Würde hier das Fahren ohne Fahrerlaubnis zudem noch erschwerend berücksichtigt, liefe das auf eine Summierung verschiedener Verursachungsbeiträge hinaus, die sich nur in einem unfallursächlichen Umstand ausgewirkt haben, was wiederum der Rechtsprechung des BGH widerspräche (BGH VersR 1976, 987).
Für einen Beitrag des Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu dem Unfallgeschehen spricht auch im Regelfall nicht ein Anscheinsbeweis. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, das im Falle eines Verkehrsunfalls, an dem ein Kraftfahrer beteiligt ist, der nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist, dass Fehlen der Fahrerlaubnis sich stets unfallursächlich ausgewirkt hat, besteht nicht (KG NZV 2002, 80). Eine Ausnahme wird nur dann gesehen, wenn sich der dem Entzug der Fahrerlaubnis zugrunde liegende Fehler auch in dem Unfallereignis gezeigt hat (BGH VersR 63, 367), der Trunkenheitsfahrer also z.B. wiederum mit einer unzulässigen Menge Alkohol an einem Unfall beteiligt war.