"… Nach der Anhörung des Sachverständigen ist der Senat davon überzeugt, dass aufgrund des streitgegenständlichen Unfallereignisses beim Fahrrad des Kl. ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist. Im Einzelnen:"
8 a) Grds. kann ein Geschädigter im Totalschadensfalle ausnahmsweise die voraussichtlichen Reparaturkosten zzgl. einer etwaigen Wertminderung erstattet verlangen, wenn diese Summe den Wiederbeschaffungswert um nicht mehr als 30 % übersteigt (BGH VersR 1992, 61; BGH r+s 2003, 303; r+s 2005, 172; r+s 2009, 434; r+s 2010, 128; Jahnke, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker) Straßenverkehrsrecht, 24. A., § 249 BGB, Rn 65). Maßgeblich für die Berechnung ist grds. die Reparaturkostenkalkulation des Sachverständigen, nicht der schlussendlich tatsachlich angefallene Reparaturaufwand. Der Restwert des Fahrzeuges wird bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt. Grundlage dieser Rspr. ist das besondere Integritätsinteresse des Geschädigten. Damit soll faktisch sichergestellt sein, dass das Eigentum des Geschädigten für den Bedarfsfall in seiner konkreten Zusammensetzung und nicht nur dem Wert nach erhalten bleiben kann. Der Reparaturkostenersatz erfolgt allerdings nur nach tatsächlich durchgeführter, fachgerechter Reparatur im Umfange des Sachverständigengutachtens (BGH DAR 2005, 266), jedenfalls aber in einem Umfang, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt (BGH DAR 2005, 268 [269]). Eine Teilreparatur ist nicht ausreichend.
Setzt der Geschädigte nach einem Unfall sein Kfz nicht vollständig und fachgerecht in Stand, ist regelmäßig die Erstattung von Reparaturkosten über dem Wiederbeschaffungswert nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Wert der Sache wäre eine solche Art der Wiederherstellung im Allgemeinen unvernünftig und kann dem Geschädigten nur ausnahmsweise Im Hinblick darauf zugebilligt werden, dass der für ihn gewohnte und von ihm gewünschte Zustand des Fahrzeugs auch tatsächlich wie vor dem Schadensfall erhalten bleibt bzw. wiederhergestellt wird (vgl. BGH VersR 2007, 1244; BGHZ 162, 161, 168; BGH VersR 1972, 1024 f. und VersR 1985, 593, 594). Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeuges wie vor dem Unfall wiederherstellt.
b) Diese zu beschädigten Kfz ergangene Rspr. ist nach Auffassung des Senats auch auf ein wie hier nahezu vollständig beschädigtes Rennrad übertragbar. Entgegen der Ansicht des Kl. gibt es keinen Grund, bei Fahrrädern, welche die letzten Jahrzehnte ebenfalls wie Kfz eine stetige technische Weiterentwicklung vollzogen haben, die von der Rspr. entwickelten Grundsätze für Kfz hier nicht anzuwenden. Der Kl. betont im vorliegenden Rechtsstreit gerade die Besonderheiten im Hinblick auf den beim beschädigten Fahrrad vorhanden Karbonrahmen. Selbst wenn das Fahrrad nach den Angaben des Kl. zu einem Liebhaberstück wurde, ist zu bedenken, dass es sich nach den Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. um ein Komplettrad der Marke Scott handelte, welches einen relativ geringen Wiederbeschaffungswert aufweist. Nicht überzeugend ist der Einwand des Kl., wonach für die Frage der Unverhältnismäßigkeit der Reparatur auch andere Umstände als das reine Wertverhältnis, wie der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen seien. Die zitierte Entscheidung des BGH (vgl. BGH MDR 1988, 213) betraf den Ersatz von Aufwendungen im Rahmen eines Auftragsverhältnisses und keinen Schaden im Rahmen eines Verkehrsunfalles. Das Verschulden wird hier bereits im Rahmen der Haftungsquote berücksichtigt.
c) Der Kl. hat im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat am 16.11.2018 angegeben, dass er das Fahrrad vor ca. zehn bis zwölf Jahren, “round about‘, bei einem Händler im Allgäu habe zusammenbauen lassen und dort abgeholt habe. Damit hat der Kl. seinen zunächst In der Replik vom 26.10.2016 genannten Erwerbszeitraum des Fahrrads im Jahr 2012/2013 (…) geändert. Nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. steht für den Senat fest, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrrad, entgegen der Angaben des Kl., nicht um einen Individualaufbau, sondern um ein Komplettrad handelt, welches dem Modelljahr 2004 zuzuordnen ist. Der Sachverständige hat hierzu beim Hersteller Scott recherchiert, welcher anhand der Rahmennummer des Fahrrades das Modelljahr ermitteln konnte. Der Senat übersieht nicht, wonach der Sachverständige ausführte, dass natürlich nicht auszuschließen sei, dass ein Händler ein Fahrrad aus dem Modelljahr 2004 länger aufhebe. Es sei jedoch sehr ungewöhnlich, dass ein Fahrrad aus dem Modelljahr 2004 erst viele Jahre später verkauft werde.
d) Nach den ausführlichen, von sorgfältiger Recherche geprägten Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. S. ergibt sich für das Fahrrad, ausgehend vom Modelljahr 2004 unter Beachtung der Abwertungskurve nach Schwacke ein Wiederbeschaffungswert von 930,60 EUR. Da der allge...